Dienstag, 07. April 2015
Die drei Schüler standen noch immer auf dem Dach und versuchten herauszufinden was dort in der Ferne wohl niederbrannte.
„Verdammt! Ich muss wissen was da los ist!“, stieß Rin panisch aus und noch ehe jemand darauf reagieren konnte, rannte sie wieder ins Gebäude.
Ihr Ziel war es dem Feuer nachzugehen, falls es denn wirklich eines war.
Schwermütig tastete sie sich durch die stockdunkle Schule und suchte den Ausgang, den sie sogar recht schnell finden konnte. Durch ihr vorheriges Rumgeirre mit den Jungs hatte sie den Gebäudeplan noch ein wenig im Kopf. Normalerweise hätte sie sich sofort verlaufen.
Flink flitzte sie vom Schulcampus in die Richtung, aus welcher das Leuchten kam. Das sie überhaupt irgendetwas sehen konnte, um zu wissen wo sie hintrat, war ein Wunder bei dieser Dunkelheit. Es waren nicht nur die Straßenlaternen ausgefallen, nein, auch in den Häusern, an welchen sie vorbeikam war nicht eine Lichtquelle. Aber das konnte eventuell auch einfach daran liegen, dass es Mitten in der Nacht war und die Leute schliefen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam das Mädchen endlich an. Völlig außer Atem stützte sie ihre Hände auf die Knie und sah schwer atmend zu dem Gebäude, welches tatsächlich in Flammen stand.
„Shit“, wischte sie sich den Schweiß von der Stirn, „Es ist also wirklich Amis zu Hause.“
Schnell zückte sie ihr Handy, um die Feuerwehr zu alarmieren. Wieso auch immer das Gebäude erneut in Flammen stand, es musste gelöscht werden. Merkwürdig war nur, dass es noch nicht im Ansatz zerfallen war, wie sie es kurz zuvor gesehen hatte.
„Was ist denn hier los? Mein Handy hat ja gar keinen Empfang“, tippte sie wie wild auf die Tasten und hielt anschließend das Telefon in die Höhe, um besser eine Verbindung herstellen zu können. Allerdings half es nichts und das erhoffte Signal blieb aus.
Noch bevor Rin über neue Ideen nachdenken konnte, landete direkt vor ihr plötzlich ein Feuerball. Wurde sie etwa grade von dem Haus angespuckt?
Eilig sah sie sich um und stellte fest, dass sie plötzlich umzingelt war. Rechts und links von ihr standen schwarze undefinierbare Schattenartige Wesen ohne feste Gestalt. Sie waren komplett in Feuer gehüllt und schossen wie wild mit Feuerbällen auf das Mädchen.
„Oh Gott! Was sind denn das für gruselige Dinger?!“, schrie sie auf und versuchte den Feuerbällen auszuweichen.
Sie hatte kaum Zeit, um Angst zu haben, denn die Geschosse flogen unaufhörlich von Seite zu Seite und sie musste auf akrobatische Art und Weise irgendwie ausweichen. Ihr Glück, dass Sport genau ihr Ding war. Es erinnerte sie sogar ein wenig an Völkerball. Dort wurde man auch von allen Seiten mit Bällen beschossen. Der einzige Unterschied darin bestand nur, dass die Bälle nicht in Flammen standen und tödlich waren. Das Ballspiel wäre ihr an dieser Stelle dann doch lieber gewesen.
Während Rins Gedanken komplett zum Ballsport abdrifteten hatte sie einen Einfall: „Ich hab‘s! Ich lasse die Dinger einfach ein Eigentor schießen!“
Was auch immer sie damit gemeint haben könnte… Schnell bewegte sie sich in die exakte Mitte der Kreaturen, sodass sie eine Linie bildeten und es geschah, was das Mädchen sich erhoffte. Die in Flammen stehenden Kreaturen trafen sich gegenseitig und knockten sich somit teilweise aus. Das Feuerballgewitter ließ damit stark nach und die Blauhaarige führte eine Art Freudentanz auf. Dieser endete allerdings abrupt, als sie einen Schmerz an ihrem rechten Oberarm verspürte. Reflexartig griff sie danach und bemerkte, dass sie blutete.
„Aua… Wie ist das denn jetzt passiert?“, jammerte sie herum.
Einer der Feuergeschosse hatte sie am Arm gestreift. Es war nicht all zu schlimm, blutete jedoch ziemlich stark. Auch ihre Jacke war zerfetzt. Ihr Bruder würde sie dafür umbringen, das war sicher.
So langsam verstanden die Gestalten, dass sie sich nur gegenseitig bekämpften und lenkten ihre Angriffe wieder zurück auf ihr eigentliches Ziel.
Rin jedoch versuchte weiterhin auszuweichen, was ihr auch ganz gut gelang. Sie hatte gute Reflexe und konnte die Bälle in etwa abschätzen. Dadurch, dass sich schon einige der Wesen selbst k.o. geschossen hatten, bildete sich eine kleine Lücke auf der Seite, von welcher sie kam. Blitzschnell schlängelte sie sich hindurch, sodass sie endlich nicht mehr umzingelt war und rannte was das Zeug hielt davon. Natürlich blieb eine Reaktion der Monster nicht aus, wenn auch eher langsam, und sie folgten dem Mädchen.
„Man sind die lahm“, schielte sie im Rennen hinter sich und konnte endlich wieder aufatmen, „Schnell zurück zur Schule. Ich muss die Jungs warnen, dass hier gruselige Gestalten rumlungern.“
Rin wollte soeben um die erste Ecke biegen, als ihr ein gigantischer schwarzer unförmiger Schatten gegenüberstand und den Weg versperrte. Er war locker so groß wie die Wohnhäuser in diesem Viertel. Wenn nicht sogar größer. Aber im Gegensatz zu den anderen Monstern war dieser nicht in Flammen gehüllt.
Plötzlich veränderte das Wesen seine Form und riss zwei große runde rote Augen auf. Aus dem unförmigen Schatten wurde eine Art überdimensionales schwarzes Häschen.
„Was zum Teufel…“, starrte Rin gen Himmel, um den Hasen zu begutachten, „Ein fetter großer Hase? Ohne diese blutroten Augen wäre er ja fast süß.“
Doch da sie schon Bekanntschaft mit den anderen bösartigen Gestalten gemacht hatte, erwartete sie nicht, dass ihr dieses Vieh wohlgesinnt war und ging in Stellung. Obwohl sie auch nicht so genau wusste was sie nun tun sollte. Von hinten kamen die Feuerschatten immer näher und von vorne wurde ihr der Weg von dem Hasen versperrt.
„Ich bin also nur fast süß?“, ertönte plötzlich eine leicht verzerrte Stimme, welche der der Blauhaarigen verdammt ähnelte.
Rin zuckte erschrocken zusammen und spannte ihren ganzen Körper an. Wo kam diese Stimme her? Doch nicht etwa von dem schwarzen Hasen?
„W-wer bist du? Wieso klingt das wie meine eigene Stimme?“, zitterte das Mädchen. „Ich bin du und du bist ich“, grinste das Wesen plötzlich und ein Maul mit weißen spitzen Zähnen blitzte kurz heraus. Ungewöhnlich, dass ein Häschen solche Zähne besaß.
„Was laberst du? Ich bin doch nicht du!“, keifte das Mädchen das Monster an. Wieder musste es böse grinsen: „Oh doch, ich wurde aus den Tiefen deiner dunkelsten Gefühle geboren. Ich bin ein Shadow, der durch deinen Hass angetrieben wird. Du hasst Amika, weil sie dir gegenüber schweigt.“
„NEIN!“, wurde die Kreatur mit lautem Schreien von dem Mädchen unterbrochen, „Ich hasse gar niemanden!“
Wieder lachte der Shadow laut auf und ging nun zum Angriff über. Sein schwarzes Fell verlängerte sich daraufhin und verformte sich zu Wasser, welches sich verselbstständigte und versuchte auf Rin einzudreschen.
„Du hasst Ryuichi, weil du ihm egal bist!“, redete der Hase weiter auf das Mädchen ein. Wieder erntete er von Rin darauf ein lautes „Nein!“.
Sie konnte sich grade noch so zur Seite werfen, um der Wasserpeitsche auszuweichen. Nachdem diese auf den Boden aufschlug, verteilte sie sich über den ganzen Boden und Rin wurde teilweise nass.
Mit zittrigen Beinen stand sie auf. „Wasser…“, murmelte sie vor sich hin und hatte den vermutlich ängstlichsten Blick ihres Lebens im Gesicht.
„Du hasst Akira, weil er dich vergessen hat“, kam es erneut von dem Shadow. Wieder stritt die Schülerin es lautstark ab.
Daraufhin ging er erneut zum Angriff über. Nun formten sich aus seinem Fell mehrere dünne Wasserfäden. Ihnen auszuweichen erwies sich als äußerst schwierig, denn sie schlängelten sich geschickt um die Blauhaarige herum. Schnell versuchte das Mädchen davor wegzurennen, als sie feststellte, dass die feuerartigen Gestalten ja hinter ihr waren. Mittlerweile sogar so nah, dass Rin nun wirklich in der Zwickmühle saß.
Plötzlich wurde sie an den Handgelenken gepackt und nach oben gezogen. Die Fäden aus Wasser hatten sie gefesselt und direkt vor die roten Augen des Shadows gehievt.
Dieser grinste wieder: „Du hasst deine Mutter, weil sie nicht mehr da ist.“ Wie wild zappelte sie mit den Beinen herum und versuchte sich aus dem Klammergriff zu befreien: „Nein! Lass mich los!“ Es war aussichtslos und der Hase redete einfach belustigt weiter: „Du hasst Saito, weil er dich ständig aufzieht.“
Auch dieses Mal protestierte das Mädchen lautstark. Sie wollte es nicht mehr hören. Wieso sollte sie all die Menschen hassen, die ihr etwas bedeuteten?
Doch ihr Gegenüber ließ sich nicht beirren und redete weiter: „Du hasst Kuro, weil er dich immer schikaniert.“
Schlagartig hörte die Schülerin auf herum zu zappeln, starrte den Hasen etwas irritiert an und Schweigen brach aus.
Kurz darauf wurde es allerdings wieder von Rin gebrochen, welche nur trocken meinte: „Ja, okay. Den kann ich echt nicht leiden. Das ist der totale Volldepp.“ „Was?!“, stieß der Shadow erstaunt aus und seine Wasserfäden fielen von jetzt auf gleich kraftlos zu Boden.
Das Spritzen erreichte einige der in Flammen stehenden Gestalten, welche daraufhin einige Schritte zurückwischen. Rin purzelte schließlich auch zu Boden, da sie nichts mehr oben hielt. Unsanft landete sie auf ihrem Hintern, welchen sie sich schmerzerfüllt rieb, als sie versuchte schnell wieder auf die Beine zu kommen. Etwas verwirrt über die plötzliche Machtlosigkeit des Shadows musterte sie diesen.
Dann kam ihre eine Idee: „Du hast recht! Ich hasse sie alle!“ „Was?! Nein!“, schrumpfte der Shadow ein klein wenig.
Im selben Moment landeten zwei Feuerbälle in unmittelbarer Nähe des Mädchens und ruckartig drehte sie sich um.
„Oh Mist! Nicht die schon wieder“, fluchte Rin und versuchte erneut akrobatisch den Geschossen auszuweichen. Währenddessen versuchte sie weiterhin auf den Shadow einzureden: „Ich hasse sie für all die Dinge die sie mir angetan haben! Das ist wahr!“
Mit widerwilligen Protesten schrumpfte der Shadow immer weiter zusammen, bis er zu einem kleinen schwarzen Häschen wurde.
Grade in dem Moment in dem einer der Feuergeschosse auf den Hasen zugeflogen kam, rannte Rin zu ihm herüber und konnte ihn knapp davor bewahren getroffen zu werden. Dadurch schürfte sie sich allerdings ihr linkes Knie auf und ein weiterer tödlicher Ball kam direkt auf ihren Kopf zugeflogen. Sie konnte ihn grade noch so zur Seite ziehen, sodass nur ein paar wenige Strähnen ihrer Haare etwas abbekamen.
Fest umklammert hielt sie das Häschen und stand den Monstern gegenüber: „Aber weißt du, Kleiner, nur weil ich sie dafür hasse, heißt das nicht, dass ich sie nicht auch gleichzeitig lieben kann. Kein Mensch ist perfekt und jeder davon macht mal Fehler. Es ist das normalste der Welt, dass man mal sauer ist. Aber gleichzeitig habe ich auch vergeben gelernt. Und eine kleine Tat wiegt nicht so schwer, dass ich meinen Freunden nicht vergeben könnte. Dazu sind sie mir viel zu wichtig.“ „Aber warum?“, murmelte das immer schwächer werdende Tierchen, „Warum beschützt du mich?“ „Na ist doch klar“, grinste sie frech, „Du hast gesagt, dass du ein Teil von mir bist. Und ich habe keine Lust, dass ein Teil von mir hier draufgeht. Vor allem nicht so ein süßer.“
Die roten Augen des Tieres weiteten sich vor Erstaunen und noch ehe es etwas Weiteres erwähnen konnte, leuchtete es plötzlich in strahlend grellem Licht auf, welches in einem Strahl in den blauen Edelstein an Rins Kette fuhr. Etwas erstaunt darüber musterte sie ihren Stein.
Dann ging plötzlich alles wie von selbst und sie riss ihn sich von der Kette, und feuerte ihn wie eine Knallerbse auf den Boden, sodass er zerbrach.
„Per-so-na! Erscheine Kyusagi!“, rief sie ganz laut aus und bevor sie sich über ihre eigenen Worte wundern konnte, stieg eine Art Wasserstrudel aus dem zerbrochenen Stein empor.
Dieser spritzte mit einem Ruck in alle Richtungen und es erschien ein menschenartiges weiblich wirkendes Wesen, welches über dem Boden schwebte. Das musste wohl besagte Kyusagi sein.
Sie hatte strahlend weiße Haut, dunkelblaue kurze strubbelige Haare und war komplett in Blautönen gekleidet. Ein ballonartiger blauer Hut zierte den Kopf der Gestalt. Er hatte ein langes Schild, welches ihr ins Gesicht ragte und die Augen verdeckte. An der Mütze selbst standen zwei hasenohrenähnliche Spitzen ab, welche aus einem flauschigen Puschel herausragten. Sie trug ein bauch- und schulterfreies Top, an welches Netzträger angenäht waren. An den Oberarmen waren weiße flauschige Puschel angebracht, an welchem die langen Ärmel angenäht waren. Diese liefen in Pfoten ähnlichen Enden aus. Sie sah generell etwas so aus, als hätte man sie in ein Hasencosplay gesteckt. Auf der Hüfte trug sie einen bodenlangen Faltenrock, welcher an ihrer linken Seite sehr kurz war und nach rechts hinzu immer länger wurde. Am Saum besagten Kleidungsstückes war etwas des weißen flauschigen Materials angebracht. Dazu trug sie eine Netzstrumpfhose und blaue Absatzschuhe, welche an den Knöcheln ebenfalls mit den weißen Puscheln versehen waren. Außerdem konnte man den Edelstein, welchen die Oberschülerin zuvor zerbrach in der Mitte unterhalb der Schlüsselbeine Kyusagis erkennen.
„Los, Attacke!“, rief Rin heraus, deutete mit ihrem linken Zeigefinger auf die Feuergestalten und wurde von ihrer Persona nur blöd angeschaut. Irritiert sah das Mädchen zurück und verstand nicht, wieso sie nicht loslegte. Dieser Hase konnte immerhin mit Wasser um sich schmeißen wie er wollte, oder? Das war doch die perfekte Chance die Monster zu plätten.
„Jetzt komm schon“, stammelte das Mädchen hüpfend von einem Bein aufs andere, „Setzte so eine Wasserattacke ein und kill die Dinger. Weißt du noch? Wie diese Wasserpeitsche da?“
Kyusagi war von dem Befehl sichtlich irritiert und legte den Kopf schief, während sie nachzudenken schien.
Rin zappelte weiterhin aufgedreht herum und versuchte mit Händen und Füßen zu erklären was sie meinte: „Weißt du nicht mehr? Du formst so ein bisschen Wasser in einen langen Strahl und dann, bäm, prügelst du damit auf die Teile ein und pustest ihnen das Licht aus.“
Als das Mädchen da so hyperaktiv herumhüpfte kamen natürlich wieder neue Feuergeschossen auf sie zugeflogen, denen sie versuchte auszuweichen. Nach weiterem sinnlosen Erklären wurde es Rin zu viel uns sie nahm einfach ihre Beine in die Hand und rannte zurück zur Schule. Immerhin waren diese Dinger so langsam, dass sie sie nicht einholen würden.
Während sie sich gerade umdrehte zum Fliehen, transformierte sich ihr Edelstein wieder an ihrer Kette und die Persona verschwand wieder. Doch die Blauhaarige hatte besseres zu tun, als sich darüber im Moment den Kopf zu zerbrechen.
Nachdem die Schülerin zweimal falsch abgebogen war, erreichte sie endlich das Schulgelände und blieb wie erstarrt am Eingang stehen. Der ganze Platz zwischen Gebäudeeingang und Schultor war übersät mit den in Flammen stehenden Monstern.
Auch ein verdammt großer, schwarzer Affe mit blutroten Augen befand sich dort und warf mit Gesteinsbrocken um sich. Ab und an sah man ein Grinsen von ihm ausgehen, durch welches seine spitzen weißen Zähne herausstachen. Es sah genauso aus wie bei dem großen Hasen wenige Minuten zuvor.
Die Geschosse sämtlicher Monster im Vorhof richteten sich auf den Eingangsbereich am Schulgebäude. Rin selbst hatten sie wohl gar nicht bemerkt.
„Da drüben sind sicherlich die Jungs“, murmelte sie und stürmte los, „Das ist meine Chance dort durchzuhuschen.“
Mit einem gekonnten Slalomlauf schlängelte sie sich zwischen den Gestalten hindurch und erreichte tatsächlich die beiden verausgabten Schüler.
„Aikawa-chan! Da bist du ja!“, kam es von Akira, welcher sich nur mit Mühe auf den Beinen halten konnte, „Wir haben uns solche Sorgen gemacht.“ „Ich nicht“, erwiderte Kuro kratzbürstig.
Der Rothaarige blutete am Oberschenkel und wankte stark hin und her. Scheinbar hatte ihn einer der Feuerbälle gestreift. Sein Umhang war auch ziemlich gekürzt und am unteren Ende abgebrannt. Der Schwarzhaarige hingegen hatte kaum Schrammen. Er war nur leicht verdreckt an seinem Gewand.
„Was ist denn mit deinem Arm passiert?“, musterte der junge Mann die offene Stelle an Rins Oberarm. Kurz erklärte sie: „Vermutlich dasselbe, wie bei deinem Bein, aber das tut jetzt nichts zur Sache. Wir müssen hier weg!“
Kuro war die ganze Zeit auf das große Affenmonster fixiert und beachtete die beiden kam.
„Was ist das denn für ein Affe?“, musterte die Blauhaarige die Gestalt. „Der behauptet die ganze Zeit merkwürdige Dinge über Kuro und beschießt uns mit Steinen“, erklärte der Verletzte knapp. Daraufhin wand sich das Mädchen an Kuro: „Ich glaube das ist dein Shadow. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann ist er ein Teil von dir, der aus deinen dunkelsten Gefühlen gebildet wurde.“ „Oho“, ertönte eine männliche verzerrte Stimme, welche der des Schwarzhaarigen verdammt ähnlich war, „Wie ich sehe kennt sich die Kleine ziemlich gut aus. Aber das wird dir auch nichts nützen!“
Wieder feuerte er einige Geschosse auf die kleine Gruppe, welche nur schwermütig ausweichen konnte.
„Und wo ist deiner?“, stützte sie Akira ab. „Meiner?“, erwiderte er. Sie nickte: „Ja, dein Shadow. Hast du ihn auch bereits bezwungen?“ „Was meinst du?“, musterte er sie völlig irritiert. Daraufhin tippte sie ihm an seine Kette, an welcher ein gelber viereckiger Edelstein befestigt war: „Na, dein Shadow, welcher dann am Ende in den Stein fährt und zu deiner Persona wird. Die nebenbeigesagt dezent begriffsstutzig ist.“ Der Rotschopf legte den Kopf schief und sah das Mädchen verstört an: „Ist alles okay bei dir? Hast du dir den Kopf angehauen?“ „Nein, habe ich nicht“, war auch sie etwas irritiert.
Schließlich drehte sie sich wieder Kuro zu und rief: „Du musst deinen Shadow akzeptieren! Dann wird er zu deiner Persona!“ „Sicher, dass du dir nicht den Kopf angehauen hast?“, hielt er Rin ebenfalls für blöd, „Außerdem, was soll ich da großartig akzeptieren?“
Mit einem Finger zeigte er auf den großen grinsenden Affen und keifte Rin zornig an: „Du nervst! Weißt du das eigentlich?! Da gibt’s nichts zu akzeptieren bei dem dummen Affen! Der hat mir ein paar Tatsachen aufgelistet! Wieso sollte ich die ablehnen?!“
Wortlos und leicht geschocktem über seinen Wutausbruch starrte sie ihn an. Irgendwie schien das anders zu sein, als bei ihr kurz zuvor.
„Das Vieh hat vollkommen Recht!“, schnauzte er weiter, ohne seinen Blick von dem Mädchen abzuwenden, „Alle erwarten immer die Bestleistung von mir, drücken mir eine scheiß Schule und einen ganzen beschissenen Konzern aufs Auge und dann lassen sie mich alleine mit der Scheiße! Und zu allem Überfluss bin ich dann nur von dummen Idioten umzingelt, die zu blöd sind ihren Job richtig zu machen! Ständig muss ich allen ihren Kackhaufen hinterhertragen! Alle machen sie was sie wollen und keiner funktioniert! Und dann soll ich auch noch lieb und nett bleiben?! Vergiss es! Irgendwann reißt mir auch mal der Geduldsfaden und dann werden diese Spasten eben gefeuert und ersetzt! Ich gebe einen Scheiß auf die Gefühle der anderen, wenn die nicht spuren!“
Völlig überrumpelt von der heftigen Ansage Kuros, zog Rin ihren Kopf etwas zurück und starrte ihn nur verdattern an. Sie wusste nicht was sie darauf sagen sollte. Sie wusste nicht mal von was der junge Mann da überhaupt redete.
„Er wird kleiner!“, rief der Rothaarige plötzlich heraus und alle schauten zu Kuros Shadow herüber. „Der ist ja niedlich geworden“, betrachtete das Mädchen den kleinen schwarzen Affen mit den roten Augen, welcher auf den Schwarzhaarigen zu gehopst kam.
Vor ihm blieb er stehen und sah zu ihm hinauf, während Betrachteter ebenfalls zu dem kleinen Tierchen herunterschaute. Einige Sekunden veranstalteten sie ein Wettstarren, ehe das Äffchen mit einem Satz hochsprang, sich mit beiden Händen am Unterarm des jungen Mannes festkrallte und ihm mit mürrischem Blick am Arm herumknabberte.
„Ey! Lass das du Mistvieh!“, schüttelte er seinen Arm, um den Affen wieder loszuwerden.
Dieser jedoch biss sich mit seinen spitzen Zähnen fest und kämpfte gegen den Schwarzhaarigen an. Kurz darauf verwandelte er sich in einen hellen Lichtball, welcher in den grünen Edelstein an Kuros Hose hineinfuhr.
Noch bevor der junge Mann auch nur irgendetwas auf die eigenartige Situation erwidern konnte, riss Akira Rin plötzlich zur Seite: „Achtung!“
Einer der Feuerbälle der anderen Kreaturen kam direkt auf sie zugeflogen und er schaffte es gerade noch so sie davor zu bewahren. Allerdings fiel er selbst so unglücklich, dass er sich den Kopf an einem der Gesteinsbrocken aufschlug und ohnmächtig wurde.
„Yoshida-kun!“, schrie die Blauhaarige und rüttelte feste an ihm.
Allerdings wachte er nicht auf und die Gestalten wurden nun wieder etwas aktiver und kamen den Schülern immer näher. Einige Feuergeschosse schlugen ringsherum um sie ein und sie hatten Mühe ihnen auszuweichen und gleichzeitig auf ihren ohnmächtigen Kumpel achtzugeben.
„Verdammt!“, fluchte Kuro, „Das bringt doch alles nichts! Wir müssen dringend zurück ins Schülerratszimmer!“
Rins Plan war das schon seitdem ihr zum ersten Mal diese Gestalten begegneten, jedoch wurde sie von ihrem Shadow aufgehalten.
Schnell nahm der Schwarzhaarige seinen Kumpel Huckepack und lief zügig ins Gebäude hinein. Gleichzeitig versuchte er mit seinem Handy für Licht zu sorgen, was gar nicht so leicht war.
Endlich kamen sie im Flur des Schülerrats an und gingen ihn einige Meter, ehe sie endlich die offene Schiebetür erblickten. Bereits jetzt fiel den beiden ein Stein vom Herzen, denn sie hatten es geschafft den Monstern zu entkommen.
Kaum standen sie im Schülerratszimmer, hatten sich ihre Umhänge in Luft aufgelöst und sie verschnauften direkt. Ihre Schuluniformen blieben allerdings zerfetzt und die Verletzungen heilten logischerweise auch nicht einfach wieder zu.
Im gleichen Moment wurde die Tür hinter ihnen mit einem äußerst lauten Knall zugeschoben und alle beide zuckten heftig zusammen. Schlagartig drehten sie sich zurück, um zu sehen wie die Tür so einfach von selbst zuging.
„Schnell! Schließt das Portal endlich ab!“, klatschte ein kleiner Junge mit der flachen Hand gegen die Schiebetür und Rin tat wie befohlen und drehte den Schlüssel einmal im Schloss herum. Es klackte kurz und der kleine Mann atmete erleichtert auf.
Todesmutig schob die Blauhaarige danach die Tür einen winzigen Spalt auf, um einen Blick in den Flur zu erhaschen.
„Es ist wieder Tag!“, drehte sie sich freudig zu Kuro um.
Dieser war grade damit beschäftigt Akira abzusetzen und schien sich wenig für die Worte des Mädchens zu interessieren.
„Sagt mal, was ist eigentlich verkehrt mich euch?“, verschränkte der kleine Junge die Arme vor seiner Brust.
Rin kannte den Kleinen. Zwar musste sie kurz überlegen, doch erinnerte sie sich wieder daran. Als sie vor einigen Tagen in der Trümmerlandschaft war und wieder zurückgekommen ist, lag dieses Kind mit allerlei Verletzungen und zerfetzten Kleidern quer über ihrem Schoss. Nun trug er saubere Kleidung und seine Wunden schienen grob verheilt zu sein. Zu seinen schwarz-blauen Haaren trug er eine weiße Jacke mit schwarzen Streifen und einem flauschigen schwarzen Fellkragen. Die Jacke war ihm im Allgemeinen viel zu groß, doch das schien das Kind wenig zu stören. Darunter hatte er ein gelbes T-Shirt angezogen und eine hellblaue Dreiviertelhose mit kleinen Taschen an den Seiten. An den Füßen trug er kleine schwarze Stiefelchen, welche ihm bis knapp über die Knöchel ragten.
Mit einem ziemlich wütendem Blick sah er in die beiden fragenden Gesichter der Schüler: „Ihr könnt doch nicht einfach das Portal offenstehen lassen! Was, wenn die Shadows in diese Welt vorgedrungen wären? Dann wäre sie ins völlige Chaos gestürzt!“
Man sah Kuro und Rin deutlich an, dass sie kein einziges Wort verstanden, doch der Kleine nahm das gar nicht wahr und schimpfte aufgebracht weiter: „Aber abgesehen davon steht es euch überhaupt nicht zu durch das Portal zu gehen! Gebt den Schlüssel sofort an die rechtmäßige Besitzerin zurück ihr Diebe!“
Verdattert darüber als Diebe bezeichnet zu werden sahen die Schüler zu dem Jungen hinüber. Kuro konnte es natürlich nicht lassen ihm sofort Paroli zu bieten: „Jetzt reicht‘s aber du kleiner Hosenscheißer! Ich lasse mich doch nicht als Dieb beschimpfen!“ „Genau!“, waren die beiden Mal einer Meinung, „Und wer soll überhaupt der rechtmäßige Besitzer sein. Ich habe das Ding hier doch nicht geklaut. Es war auf einmal in meiner Hosentasche.“ Der Junge stemmte die Hände in die Hüften: „Das kann überhaupt nicht sein! Die rechtmäßige Besitzerin ist Rin Aikawa! Und die sehe ich hier nirgends!“
Die Blauhaarige war so verwirrt über die Aussage, dass sie schon selbst an ihrer Existenz zweifelte, während der junge Mann dem Kind wieder Rede und Antwort stand: „Bist du dumm? Die steht doch direkt vor dir!“
Mit dem Finger deutete er auf Rin, was den Blau-Schwarzhaarigen dazu veranlasste näher auf sie zuzugehen. Kritisch musterte er sie und wandte sich dann wieder an Kuro: „Dir ist schon klar, dass das ein Junge ist, oder? Auch wenn er einen Rock trägt macht ihn das nicht automatisch weiblich. Ich suche ein Mädchen mit diesem Namen.“
Einige Sekunden legte sich ein Schweigen über den Raum, dann zuckte Rin zusammen und tastete sich panisch die Brust ab: „Nicht schon wieder!“
Erneut hatte sie das Geschlecht gewechselt.
Nun schritt auch der junge Mann näher auf das Mädchen zu und betrachtete sie von oben bis unten: „Stimmt, du hast recht, Kleiner. Bist du etwa eine Transe?“
Er legte den Kopf schief und eine Hand an sein Kinn, als er sie leicht angewidert musterte.
Sofort lief sie knallrot an und protestierte lautstark: „Nein! Ich bin ein Mädchen! Aus irgendeinem Grund werde ich neuerdings manchmal zum Jungen! Guck doch! Meine Haare sind plötzlich kurz und dunkler und meine Augen sind bestimmt wieder stechend gelb!“ „Du hattest doch totsicher eine Perücke auf und in die Augen kann man farbige Kontaktlinsen einlegen“, gegenargumentierte der Schwarzhaarige. Mit kleinen Tränen in den Augen jammerte sie weiter, um die Jungs davon zu überzeugen, dass sie wirklich ein Mädchen war: „Aber wieso sind dann meine Haare dunkler?“ „Dreck?“, kam es nur aus Kuro, welcher siegessicher grinste. Jedoch wurde das dämliche Gespräch zwischen den beiden von dem Jungen unterbrochen: „Ich glaube dir, Rin.“
Über die vertraute Anrede mit dem Vornamen stockte das Mädchen kurz ehe sie erleichtert aufatmete.
Dann wurde der Kleine etwas ernster: „Hört zu, Rin, Kuro. In eurer Stadt tragen sich zurzeit seltsame Dinge zu, unerklärliche Phänomene treten auf und es wird Menschenopfer geben. Ihr habt beide die Kraft das alles zu verhindern, aber dafür müsst ihr kämpfen und eure Verbündeten suchen.“ „Was soll das denn heißen?“, fragte der Schwarzhaarige ernst nach, „Und wer bist du überhaupt?“ „Ich bin Skye und ich hab es mir zur Aufgabe gemacht über das Portal zu wachen“, schritt er mit ernster Miene auf das Fenster zu.
Mit einem Ruck öffnete er es und sprang mit Leichtigkeit auf den Fenstersims: „Werdet nicht leichtsinnig und sagt mir bitte Bescheid, wenn ihr wieder durch das Portal gehen wollt, dann begleite ich euch. Macht‘s gut.“
Plötzlich sprang er einfach aus dem Fenster des dritten Stocks. Die beiden zurückgebliebenen Schüler bekamen den Schock des Lebens und rannten sofort auf dieses zu, um zu sehen, ob es ihm gutging. Jedoch konnten sie nichts weiter als einen blau-schwarzen Vogel mit 4 Flügeln davonflattern sehen und Rin hätte schwören können, dass sie schon wieder einen blauen Schmetterling vernommen hatte. Sie sah ihn um den Vogel herumschwirren zusammen mit einigen blauen Lichtpunkten. Kurz rieb sie sich die Augen, weil sie dachte, dass sie wieder halluziniert. Im selben Moment hörte sie eine ihr bekannte Stimme: „I Am Thou. Thou Art I.“
Als sie schnell ihre Augen wieder aufriss war der Vogel schon von dannen gezogen und eine passende Person, die zu der Stimme gehören könnte sah sie auch nirgends. Immerhin war sie mit den Jungs alleine in diesem Raum.
„Sag mir nicht, dass er sich in einen Vogel transformiert hat“, staunte der Schwarzhaarige nicht schlecht und ignorierte den wandernden Blick der Blauhaarigen.
So langsam wunderte sich Rin über gar nichts mehr und trat wieder vom Fenster weg. Sie verstand weder was vorgefallen war, noch was Skye ihnen erzählte. Eigentlich konnte es ihr auch egal sein, denn sie wollte im Moment nur ihre beste Freundin ausfindig machen und mit ihrer männlichen Gestalt aus der Öffentlichkeit verschwinden. Gott sei Dank fiel es kaum auf, dass sie zum Jungen geworden war, denn durch die Uniform nahm man direkt an, dass ein Mädchen darin stecken würde.
Plötzlich sah sie in ihrem Augenwinkel schon wieder etwas blau aufleuchten und einen kleinen Schmetterling, welcher um den jungen Mann herumtanzte. Mit offenen Mund starrte sie den Schüler fassungslos an. Dann hatte sie sich also doch nicht verguckt?
Und erneut ertönte die Stimme: „I Am Thou. Thou Art I.“
In derselben Sekunde verschwanden der Schmetterling und das Leuchten wieder.
„Mund zu, es zieht“, kam es trocken aus dem Schwarzhaarigen, „Und starr nicht so, ich weiß, dass ich gut aussehe.“ „Von wegen!“, gab sie ihm Kontra, „Hast du den Schmetterling etwa nicht gesehen?“ „Schmetterling?“, hakte er nach. „Und die Stimme?“, kam die nächste Frage. Verwirrt schaute er sie an: „Ich glaube du hast Halluzinationen.“
Beleidigt blies sie ihre Wangen auf und verschränkte ihre Arme. Dieses Mal war sie sich sehr sicher, dass sie das nicht nur geträumt hatte. Gleich zweimal schwirrten die blauen Schmetterlinge in den Lichtpunkten herum und bei beiden Malen hörte sie diese eigenartige Stimme.
Ein kurzes schmerzerfülltes Geräusch erreichte die Ohren der beiden Streithähne. Es war Akira, welcher langsam wieder aufzuwachen schien.
„Wehe du sagst irgendwem, was mit mir passiert ist. Das muss geheim bleiben“, schaute sie Kuro mit mahnendem Blick an. „Und was wenn doch?“, grinste er sie hämisch an. Rin knurrte: „Das willst du nicht wissen.“
Mit einem Satz war das Mädchen durch die Schiebetür in den Flur getreten und feuerte besagten Gegenstand genervt zu, sodass er kurz knallte.
Wütend auf den Schwarzhaarigen stapfte sie davon und machte sich auf den Heimweg. Sie wollte unter gar keinen Umständen, dass auch noch Akira dahinterkam, dass sie ab und an mal im falschen Geschlecht steckte. Es reichte schon, dass ihr Erzfeind es nun wusste.
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