Kapitel 38 - Manipulierte Psyche


 

Sonntag, 17. Mai 2015

 

 

 

Suchend stand Rin am Nachmittag vor der Zentralbibliothek. Sie hatte sich widerwillig mit Jayjay verabredet, um ihr deren Bitte zu erfüllen. Allerdings war weit und breit keine Spur von der Velvet Room Assistentin zu sehen.

 

Suchend begab sich die Blauhaarige daraufhin ins Innere der Einrichtung, da sie sich nicht mehr sicher war, ob sie sich davor oder darin verabredet hatten. Wobei sie nicht genau wusste was sie drinnen genau anstellen sollten. Die Kleine hatte sie darum gebeten ihr näherzubringen was genau eine Großmutter war.

 

Nachdem die Oberschülerin ihren Blick kurz schweifen ließ, fiel ihr schnell auf, dass Gesuchte nicht da war. Seufzend schlenderte das Mädchen somit wieder nach draußen. Einerseits war sie ziemlich genervt, dass ihre Verabredung noch nicht da war, andererseits hoffte sie aber auch, dass das so bleiben würde. Rin hatte nämlich keine Lust und zudem keine Ahnung was genau die Platinblonde von ihr erwartete.

 

Plötzlich wurde die Blauhaarige von hinten angetippt und fuhr schlagartig herum. In drei gelbe Augenpaare starrend, wich das Mädchen geschockt ein Stück zurück und stolperte über ihre eigenen Füße ehe sie unsanft auf dem Hintern landete.

 

„W-Wie ist das möglich?!“, kam es ziemlich aufgebracht aus der Oberschülerin.

 

Hatte sie Halluzinationen oder stand die Velvet Room Assistentin gerade in dreifacher Ausführung vor ihr?

 

„Ist alles okay?“, kam es vorsichtig aus der Kleinen mit dem Flechtzopf, während der Kurzhaarige ihr lächelnd wieder auf die Beine half. Die Dritte mit der Mütze und den langen Haaren stand nur mit verschränkten Armen da und schaute Rin kritisch an: „Hast du einen Geist gesehen oder was ist los?“

 

Noch immer ziemlich von der Rolle, versuchte die Blauhaarige die Situation zu verstehen: „E-Euch gibt’s dreimal? Spinne ich?“ Irritiert legte die Blonde mit dem Haarreif den Kopf schief: „Aber du bist uns doch allen bereits begegnet, oder irre ich mich?“ „Na ja, mir ist sie noch nicht so direkt begegnet“, kam es grinsend von dem Jungen. „Das ist doch egal“, murrte Letztere, „Fakt ist, dass wir hier sind, weil Rin uns ein Versprechen gegeben hat.“

 

„Ich dachte immer, dass ihr einfach nur eine gespaltene Persönlichkeit seid. Ihr seht euch so ähnlich“, verstand die Stipendiatin noch immer nicht was gerade vor sich ging. „Wie kommst du denn auf so einen Blödsinn? Wir sind Drillinge“, blaffte sie die Blonde mit der Mütze an. „Und ihr heißt alle gleich?“, verzog die Oberschülerin verwirrt das Gesicht.

 

Während Verstimmte die Ältere nur mit einem verachtenden Blick strafte, begann der Junge lauthals zu lachen. Das Mädchen mit dem Flechtzopf war es, welche Unwissende mit ruhigen Worten aufklärte: „Natürlich heißen wir alle unterschiedlich. Ich bin Jayla und meine Schwester hier ist Jayce. Unser Bruder heißt Jamie.“

 

Vorsichtig nickte Rin, sah aber immer noch sehr durch den Wind aus. Sie hätte im Leben nicht damit gerechnet, dass es sich um drei verschiedene Menschen handeln würde. Weil in letzter Zeit sowieso alles so abstrakt war, dachte sie, dass es sich nur um eine Persönlichkeitsstörung handeln würde. Da sie aber auch von vornherein nicht aufgeklärt wurde, konnte sie es schlecht erahnen. Zumal die Drillinge sich glichen wie ein Ei dem anderen. Verrückt wie faszinierend Gene sein konnten.

 

„Lasst uns endlich anfangen und reingehen“, stolzierte Jayce ungeduldig Richtung Eingang. „Warum willst du dazu in die Bibliothek?“, waren die Gedanken der Oberschülerin schlagartig wieder im Hier und Jetzt. Jamie war es, der den Grund erklärte: „Geht man nicht zum Lernen in so eine Einrichtung?“ „Äh… na ja“, kratzte sich Rin am Hinterkopf, „Da hast du nicht ganz unrecht, aber das bezieht sich eher auf Schulstoff oder wenn man etwas recherchieren möchte oder so.“ „Wollen wir das nicht?“, legte Jayla den Zeigefinger ans Kinn und überlegte. „Wie erkläre ich das am besten“, griff sich die Ältere an die Stirn, „Das was ihr herausfinden wollt, steht nirgends geschrieben.“ Verstehend kam Weggelaufene wieder näher: „Ach so, dann lasst uns zu einer Großmutter gehen und es in der Praxis erlernen.“

 

Freudig stimmten ihre Geschwister ein und konnten es kaum abwarten von der Blauhaarigen zu einer Großmutter gebracht zu werden. Die Oberschülerin war damit allerdings ziemlich überfordert. Wo sollte sie so plötzlich eine alte Dame hernehmen?

 

„Ähm… Ich hab doch selbst keine Ahnung von Großeltern. Sowas habe ich nicht und ich kanns auch nicht einfach herzaubern. Über Väter kann ich euch alternativ jede Menge erzählen“, gab Rin offen und ehrlich zu.

 

Kurz berieten sich die Drillinge unter sich, bis sie schlussendlich verkündeten, dass es auch okay sei darüber etwas zu lernen. Da Rin jedoch keine Lust hatte weiter vor der Bibliothek zu versauern, verschleppte sie die Kleinen in ein Café in der Innenstadt. Es lag recht zentral und sie hatten das Glück einen der Tische am Fenster zu erhaschen, wodurch sie freien Blick auf die Fußgängerzone hatten.

 

„Bestellt euch ruhig etwas zu trinken, ich lade euch ein“, reichte das Mädchen den Assistenten die Karte.

 

Erstaunlicherweise schienen sie damit etwas überfordert zu sein. Fast so, als wären sie noch nie in einem Café oder dergleichen gewesen. Schlussendlich übernahm die Oberschülerin die Auswahl und wenig später, saßen alle vor je einer heißen Schokolade mit ordentlich Sahne und kleinen Marshmallows.

 

„Krass ist das lecker!“, nahm Jayce einen Schluck und hatte im Anschluss einen weißen Schnurrbart. Überrascht darüber, taten es ihre Geschwister ihr gleich und machten dieselbe Feststellung, während Rin der ersten belustigt den Mund mit einer Serviette abwischte.

 

Außerhalb des Velvet Rooms wirkten sie wie niedliche Grundschüler, die soeben die Welt kennenlernten.

 

„Erzählst du uns jetzt etwas über einen Vater?“, pickte Jamie soeben einen Marshmallow aus der Sahne. Auch Jayla konnte es kaum abwarten: „Ja, bitte bring uns alles bei was du weißt. Wie ist ein Vater so? Was macht er? Warum gibt es ihn? Was kann er?“

 

Kurz überlegte die Ältere, ehe sie darauf antwortete: „So pauschal kann ich euch nicht sagen wie ein Vater ist. Jeder Mensch ist individuell, deswegen kann ich es euch nicht genau beschreiben. In der Rolle als Papa hat man natürlich bestimmte Aufgaben und Anforderungen denen man nachkommen muss. Das erledigt jeder auf seine Weise.“

 

Man sah den Drillingen eine leichte Enttäuschung an. Mit dieser Aussage konnten sie so gar nichts anfangen.

 

„Dann bring uns doch einfach zu einem Vater! Dann können wir uns ein eigenes Bild machen“, streckte Jayce der Blauhaarigen den Kakaolöffel fordernd entgegen. Es sollte wohl auch so eine Art Drohung sein, die aber mit einem solchen Besteckteil eher ungefährlich rüberkam. „Warum gehen wir nicht einfach zu deinem Vater?“, brachte die andere Schwester Rin in Verlegenheit. „Na ja, das geht nicht“, versuchte die Stipendiatin das Ganze schnell wieder in Vergessenheit zu bringen, „Mein Papa ist ein viel beschäftigter Mann, der nicht mal für mich Zeit hat.“ „Ach echt? Haben Väter immer so wenig Zeit?“, fragte der Junge ein wenig ungläubig. „Es ist normalerweise die Aufgabe des Mannes die Familie zu versorgen. Deswegen ist ein Vater immer am Arbeiten, um Geld zu verdienen, damit sich alle Essen, Kleidung und Spielzeug kaufen können. Demnach ist er kaum da und wenn doch, dann ist er müde von der Arbeit“, erklärte Rin ihre Ansichten. „Das ist aber blöd. Zum Glück haben wir keinen“, verschränkte Jayce die Arme. „Ihr glücklichen“, verdrehte die Blauhaarige die Augen und stützte ihren Kopf auf den Armen ab, „Ich hab einen Papa, aber er interessiert sich nicht die Bohne für mich. Er arbeitet fast durchgehend und will nicht gestört werden, sonst wird er sauer.“

 

Noch eine ganze Weile redete das Mädchen davon und brachte die Drillinge so dazu ein ziemlich schlechtes Bild darüber zu bekommen. Zwar steckte auch ein Funken Wahrheit in dem was sie von sich gab, allerdings war das meiste nur Negatives ihrer eigenen Erfahrung. Da sie nicht mit einer normalen Familie gesegnet war, wusste sie es nicht mal besser und konnte nur das erzählen, was sie selbst erlebt hatte. Auch wenn sie Freundinnen besuchte, war dort meistens kein Vater anwesend, weil er noch auf der Arbeit war, oder weil er mit Kollegen noch unterwegs war. Wenn er dann doch zu Hause war, dann hing er meistens müde vor dem Fernseher oder dergleichen.

 

Als Rin sich dann am frühen Abend von den Jüngeren verabschiedete, sah sie einen kleinen blauen Schmetterling um die Kleinen tanzen, welcher genauso schnell verblasste wie er aufgestiegen war. Ihr Social Link war also auf die zweite Stufe geklettert. Eigenartig war nur, dass sich drei völlig unterschiedliche Kinder einen einzigen Social Link teilten. Mehrling zu sein bedeutete doch immerhin nicht, dass man gezwungen war sich alles zu teilen, oder? Merkwürdig.

 

 

 

Kaum war die Stipendiatin wieder in ihrem Wohnheimzimmer angekommen, bestand ihr Mitbewohner darauf wieder eine Trainingseinheit einzulegen.

 

„Oh man, muss das sein?“, jammerte das Mädchen und ließ sich genervt auf ihr Bett plumpsen, „Außerdem sind bestimmt noch Leute im Schwimmbad.“ „Deswegen habe ich mir einen neuen Trainingsplan ausgedacht“, entgegnete Skye ihr.

 

Daraufhin zitierte er die Oberschülerin ins Badezimmer und ließ die Wanne volllaufen.

 

„Wie klappt es eigentlich mit deiner Unsichtbarkeit?“, wollte der Schwarz-Blauhaarige unterdessen wissen, „Kannst du das mittlerweile ohne die Luft anzuhalten?“ Gefragte schüttelte nur den Kopf: „Nein, leider nicht. Ich versuche es hin und wieder mal, aber tatsächlich kontrollieren kann ich es nur, wenn ich nicht atme.“ „Verstehe. Dann wollen wir erstmal schauen, dass wir deine Elementarfähigkeit ausgearbeitet bekommen. Um die Unsichtbarkeit kümmerst du dich ja bereits alleine“, überlegte der Grundschüler.

 

Die Ältere fand diese Idee jedoch alles andere als toll. Sie wollte sich partout nicht damit befassen und scheinbar wollte der Portalwächter nicht verstehen, dass sie einfach Angst vor Wassermengen hatte.

 

„Zieh deinen Badeanzug an, damit deine Kleidung nicht unnötig nass wird“, befahl Skye, woraufhin sie dies widerwillig tat.

 

Daraufhin sollte sie zwangsweise wieder versuchen kleine Wasserkugeln zu kontrollieren. Diese waren jedoch alles andere als kugelförmig und zerplatzten jedes Mal ziemlich schnell, woraufhin das Mädchen immer kurz aufschrie vor Angst.

 

Nach einer ganzen Weile klopfte es schließlich an Rins Zimmertür. Es war Momiji, welche durch die Schreie etwas in Sorge war und nun ziemlich irritiert auf ihre klatschnasse Kollegin im Badeanzug starrte.

 

„Ich wollte eigentlich nur schauen, ob bei dir alles okay ist“, erklärte sich die Jüngere, „Aber jetzt habe ich eher andere Fragen.“

 

Da ein Abwimmeln nun ziemlich aussichtslos erschien, bat die Stipendiatin ihren Besuch herein. Gleichzeitig kam der Grundschüler meckernd aus dem Badezimmer heraus: „Wo bleibst du denn? Drückst du dich wieder vor…“ Abrupt endete er, da er nicht geahnt hatte, dass jemand hereinkommen würde.

 

Sofort wich er einen Schritt zurück und verschanzte sich mit knallender Tür im Bad.

 

„Jetzt habe ich noch mehr Fragen“, verstand Momiji die Welt nicht mehr. „Da du es sagst“, überlegte die Blauhaarige, „Du kennst Skye ja noch gar nicht, oder?“

 

Ein Kopfschütteln bestätigte die Annahme, während Rin sich ein Handtuch holte und ihren protestierenden Mitbewohner schnappte, mit dem sie sich zu ihrer Kollegin auf die Sitzecke setzte.

 

Sie erklärte ihr, dass der Jüngere erst vor kurzem hergezogen sei und ein Verwandter von Kuro war. Da sie sich gut verstanden kam er ab und an zu Besuch. Dass er in Wahrheit hier wohnte verschwieg sie lieber. Den Badeanzug und dass sie klatschnass war, begründete sie damit, dass der Grundschüler versuchen wollte ihre Angst vor Wasser zu bekämpfen. Allerdings klappte das nur so semioptimal.

 

„Wie wolltest du denn deine Angst bekämpfen?“, verstand die Blau-Grünhaarige nicht ganz. „Konfrontation mit Wasser ist doch die beste Lösung. Mit der Badewanne angefangen“, zuckte der Grundschüler nur selbstverständlich mit den Achseln. „Wenn ich das mal anmerken darf: Das klingt nicht sehr hilfreich“, konterte Momiji mit kritischem Blick.

 

Über die harten ehrlichen Worte war Skye so gar nicht begeistert. Eher geschockt, dass er so kritisiert wurde.

 

„Ich sag doch, dass das nichts bringt“, jammerte die Stipendiatin ihn an und verschränkte genervt die Arme vor der Brust. „Darf ich fragen warum du solche Angst vor Wasser hast?“, hakte ihre Kollegin vorsichtig nach. Kurzes Schweigen legte sich über die Gruppe, ehe es Rin wieder brach: „Ehrlichgesagt weiß ich es nicht.“ Etwas verdutzt musterte sie ihr Gegenüber: „Du hast Angst, aber weißt nicht warum? Selbst in der Badewanne? Was stellst du dir denn für Szenarien vor, wenn du dran denkst?“

 

Als die Blauhaarige den Widerspruch noch mal vor Augen geführt bekam, geriet sie selbst ins Stocken. Theoretisch würde man jetzt antworten, dass man nicht ertrinken wolle. Aber wie sollte das in einer flachen Badewanne gehen?

 

„I-Ich weiß es nicht“, war das Mädchen sichtlich verunsichert und dachte angestrengt darüber nach. „Vor was genau fürchtest du dich denn? Vor der Dusche ja scheinbar nicht, oder?“, versuchte Momiji herauszufinden welche Punkte grenzwertig waren. „Es sind die Mengen, die ich nicht mag. Duschen und Regen sind noch irgendwie akzeptabel. Aber Gefäße mit Wasser finde ich gruselig“, druckste Gefragte herum. „Also sowas wie Badewannen, Schwimmbäder, das Meer und Flüsse?“

 

Zur Antwort bekam sie nur ein zögerliches Nicken.

 

„Und wie sieht es mit einem kleinen Becken mit kniehohem Wasserstand aus?“, hakte ihre Kollegin weiter nach. Theoretisch war es das gleiche Prinzip wie mit der Wanne, weswegen Rin ziemlich verunsichert war: „Eigentlich mag ich das auch nicht.“ „Du bist dir also unsicher, ob es nicht vielleicht doch okay ist?“, stellte die Blau-Grünhaarige fest, „Jetzt mal angenommen du rutschst mit einem großen aufblasbaren Reifen eine coole Wasserrutsche herunter und landest in einem solchen flachen Becken. Dann würdest du sowas doch mal ausprobieren wollen, oder?“

 

Die positiven Worte brachten die Blauhaarige tatsächlich dazu darüber nachzudenken. Generell mochte sie solche Aktivitäten, aber da sie mit etwas in Verbindung standen, wovor sie Angst hatte, lehnte sie diese immer sofort ab. Dieses Mal jedoch nicht. Es klang nach ziemlich viel Spaß und sie verfluchte sich gerade selbst ein wenig, dass sie solchen Schiss hatte. Das wollte sie nicht.

 

„Ich weiß nicht, ob ich damit klarkomme. Aber es klingt nach ziemlich viel Spaß und ich würde es gerne eines Tages mal probieren“, änderte Rin ihre Meinung schlagartig.

 

Siegessicher grinste ihre Kollegin, während Skye ungläubig zu den beiden Oberschülerinnen sah. Was war hier soeben passiert? Wie hatte sie es angestellt, dass die Furcht plötzlich vermindert wurde? Zuvor wurde doch auch schon mehrfach auf das Mädchen eingeredet, dass sie keine Angst zu haben brauche und dass es Spaß machen würde. Aber jedes Mal lehnte sie stur ab und ließ sich nicht überreden.

 

„Was hältst du davon, wenn wir im Sommer mal in einen kleinen Park fahren und uns dann auf den ganzen Reifenrutschen austoben?“, lächelte Momiji freudig und zückte ihr Smartphone.

 

Dort zeigte sie der Ängstlichen einen großen Park in der Nähe, welcher einige ausgefallene und spaßige Attraktionen hatte. Rin Augen begannen förmlich zu leuchten und man merkte, dass sie großes Interesse zeigte: „Sowas habe ich noch nie gemacht. Das sieht ja cool aus.“ „Dann lass uns dahin gehen“, stieg nun auch in der Blau-Grünhaarigen Vorfreude auf. Das Leuchten in den Augen der Blauhaarigen wurde jedoch schlagartig wieder unterbunden: „Na ja, ich werde dann aber vermutlich in eine Schockstarre verfallen und sowieso keine der Sache machen können. Am Ende sitze ich alleine rum und schaue allen anderen zu wie sie Spaß haben.“

 

Deprimiert fläzte das Mädchen auf der Couch und hatte sich die unschöne Zukunft bereits ausgemalt. Wie sollte es auch anders sein? Es ist nicht so, dass sie es nicht wollte, aber ihre Angst war unkontrollierbar. Und diese würde auch nicht einfach von heute auf morgen verschwinden. Ihr ganzes Leben lang war sie schon da, warum also sollte sie ganz plötzlich einfach weg sein?

 

„Wie machen wir das denn am besten, dass dieses Szenario am Ende nicht passiert und du ganz unbeschwert sein kannst?“, fragte Momiji ungehalten. Daraufhin musste Angesprochene überlegen: „Theoretisch geht das nur, wenn ich mich nicht mehr fürchte.“ Noch bevor Rin etwas Negatives anhängen konnte, sprach ihre Kollegin: „Ja super. Hast du heute Abend noch ein wenig Zeit? Lass uns was Schönes machen.“ „Was willst du denn machen?“, fragte die Blauhaarige neugierig.

 

Zur Antwort bekam sie jedoch keine weiteren Informationen außer, dass sie sich überraschen lassen sollte. Damit hatte es die Oberschülerin geschafft, dass die Stipendiatin vorerst nicht mehr zu ihren negativen Gedanken zurückkehrte und in ihr erstmal sehr viel Vorfreude und positive Erwartungen aufstiegen.

 

Schnell verschwand das Mädchen schlussendlich im Badezimmer, um sich aus ihrem Badeanzug zu schälen und wieder normale Kleidung anzuziehen. Unterdessen suchte der Grundschüler das Gespräch: „Wie hast du es angestellt, dass Rin plötzlich darüber nachdenkt ihre Ängste selbstständig zu besiegen? Es ist ja nicht so, als hätten das nicht schon andere versucht.“ Kurz überlegte Momiji: „Eigentlich ist das nicht so schwer. Wichtig ist nur, dass sie es selbst will und nicht dazu gezwungen wird. Der Trick ist nur einen Ansporn zu finden und sie selbst drauf kommen zu lassen wie sie das Ziel am besten erreicht.“ „Das verstehe ich nicht. Ihr wurde ja auch schon mehrfach der Spaß am Wasser dargelegt. Warum hat das dann nicht funktioniert?“, überlegte der Schwarz-Blauhaarige angestrengt. „Ich gehe mal davon aus, dass ihr zuvor eine Meinung vorgesetzt wurde. Es gibt einen Unterschied zwischen: Jemandem zu sagen, dass es Spaß macht und jemanden dazu zu bringen selbst zu begreifen, dass es Spaß macht. Man handelt immer aus eigener Überzeugung und nicht aus der eines anderen“, erklärte die Blau-Grünhaarige, „Und wenn jemand selbst auf Lösungsideen kommt, dann ist der Ansporn größer, weil man eher dran glaubt, dass es klappen wird. Es ist ja die eigene Idee.“ „Verwirrend… Ich finde trotzdem, dass Konfrontation der beste Weg ist“, blieb der Grundschüler bei seiner Meinung. „Ohne geht’s logischerweise nicht. Aber es wird auch nicht funktionieren, wenn sie gezwungen wird. Es ist wichtig, dass Rin das auch selbst möchte“, versuchte die Ältere es ihm zu erklären.

 

 

 

Es begann bereits zu dämmern, als die beiden Oberschülerinnen ihr Ziel erreicht hatten. So standen sie nun im traditionell angehauchten Stadtteil Mizuirochi vor einem Onsen.

 

„Gehen wir da jetzt wirklich rein?“, hörte man leichte Furcht in Rins Stimme. „Nur, wenn du möchtest. Das Wasser dort ist relativ flach und es sind meist nur alte Menschen dort, sodass es sehr ruhig und entspannt zugeht“, erklärte ihre Begleitung. „Das heißt also, wenn ich es schaffe da reinzugehen, dann schaffe ich auch den Wasserpark, oder?“, ballte die Blauhaarige ihre Fäuste und war voller Tatendrang. „Aber klar doch. Wenn du das packst, dann kannst du alles schaffen“, lächelte Momiji freudig und die beiden traten ein.

 

Am Empfang stand ein älterer Herr, welcher die Tickets verkaufte und erklärte wo die Räumlichkeiten für die Frauen waren. Allerdings genügte es den Suzuki-Pin vorzuzeigen, um der Bezahlung zu entgehen. So traten die beiden Mädchen in die Kabine für Frauen ein und entkleideten sich, um kurz darauf mit umgebundenem Handtuch und hochgesteckten Haaren in einem Vorzimmer zu landen. Dort erstreckten sich rechts und links niedrige Wände mit Wasserhähnen, Duschbrausen und Ablageflächen. Jeweils davor standen sehr niedrige Hocker und überall waren recht flache kleine Holzeimerchen. Die Plätze waren zum Teil bereits von älteren Damen belegt, die sich die Haare wuschen und anschließend einen Wassereimer überkippten.

 

Es war eine sehr traditionelle und alte Räumlichkeit, welche mit einem Vorhang zur Umkleide abgetrennt war und dessen Boden aus dunklem Holz bestand. Trotz allem wirkte es nicht schäbig, sondern war sehr gepflegt und wirkte überaus entspannend.

 

Um ins Wasser gehen zu dürfen, war es Pflicht sich erst mal abzuwaschen, weswegen sich die Mädchen zu den älteren Damen auf die Hocker gesellten. Dort kippten sie sich ein paar Ladungen Wasser mit dem kleinen Eimerchen über, ohne ihre Haare nasszumachen. Diese wollten sie nämlich nicht waschen. Sie würden sowieso nicht nass werden. Ohne groß drüber nachzudenken ging Rin mit der kleinen Wassermenge in dem Pöttchen problemlos um. Wenn sie an die größere Menge dachte, welche sie im Anschluss erwartete, erschien diese völlig nichtig.

 

Kaum waren sie fertig, schritten sie am anderen Ende des Raumes durch eine Tür und kamen so zu einer wunderschönen Außenanlage. Der Boden, welcher sich vor der heißen Quelle erstreckte war wie im Waschraum aus dunkelbraunem Holz. Im Anschluss folgte direkt das großflächige heiße Wasser, welches mit großen Steinen und Felsen eingerahmt war. Drumherum war ein großer Holzzaun gebaut, welcher verhinderte, dass jemand ins Frauenbad hineinschauen konnte. Zudem lag ein leichter Nebel über dem Nass, welcher dem Verhältnis zwischen heißem Wasser und kalter Außentemperatur geschuldet war. Außerdem war der vordere Teil der Außenanlage mit einem hübschen Holzdach überbaut, während der hintere den Blick in den Himmel ermöglichte.

 

„Lass uns schnell reingehen, es ist kalt“, war Momiji ziemlich schnell drinnen und sah erwartungsvoll zu ihrer Kollegin hinauf.

 

Diese rang noch mit sich und wusste nicht so recht, ob sie nun reinwollte oder nicht. Eigentlich hatte sie es sich fest vorgenommen und abgesehen davon war ihr auch ziemlich kalt. Immerhin war sie genau wie die Blau-Grünhaarige noch nass und draußen waren nicht unbedingt sommerliche Temperaturen.

 

Als Rin noch voll in ihren Gedanken steckt, war ihre Begleitung schon weiter nach hinten gegangen und bewunderte nun den sternenklaren Horizont. Es war nämlich bereits dunkel geworden und nur einige wenige Laternen beleuchteten den Außenbereich mit spärlichem Licht.

 

„Wow der Himmel sieht wunderschön aus“, bewunderte Momiji diesen.

 

Die Wasserscheue wurde hellhörig und richtete ihren Blick ebenfalls nach oben. Allerdings blieb sie an einem Dach hängen und konnte gar nichts erkennen.

 

„Oh nein, ich seh von hier aus nichts“, jammerte die Blauhaarige. „Dann komm schnell rüber“, winkte ihre Kollegin sie zu sich, ohne die Sterne aus den Augen zu lassen, „Oh! Eine Sternschnuppe!“ „Wirklich?!“, war die Stipendiatin hellauf begeistert und tat einen vorsichtigen Schritt ins kniehohe Wasser.

 

Kaum stand sie sicher darin, lief sie neugierig zu der Jüngeren und richtete ihren Blick gen Himmel. Es war wirklich ein sehr schöner Anblick, welchen sie einige Sekunden stillstehend betrachtete, ehe sie wieder zu Zittern begann.

 

„Komm runter, hier ist warm“, lockte Sitzende Rin komplett ins Wasser. Diese tat ohne groß nachzudenken wie ihr geheißen und tauchte bis zu den Schultern in die heiße Quelle. Neugierig waren ihre Augen noch immer nach oben gerichtet, in der Hoffnung ebenfalls eine Sternschnuppe zu sehen.

 

„Angenehm, nicht wahr?“, grinste Momiji ihre Kollegin an. Diese sah zu ihr herüber und erschreckte sich kurz: „Huh?! Ich bin im Wasser!“

 

Daraufhin musste die Jüngere lachen. Irgendwie war ihre Kollegin in dieser Hinsicht ein wenig wie ein kleines Kind, welches man in sein Glück schubsen musste.

 

„Aber du hast recht“, beruhigte sich die Oberschülerin schnell wieder, „Es ist wirklich sehr angenehm und beruhigend.“ „Dann sollten wir das öfter machen, oder was meinst du?“, kam direkt zur Antwort. Ein fröhliches Nicken bestätigte die Frage und ihr Blick wanderte wieder gen Himmel: „War da wirklich eine Sternschnuppe?“

 

Sich im Nacken kratzend kam nur ein freches Grinsen und eine herausgestreckte Zunge zur Antwort. Es war also nur ein Vorwand, um ihr die Angst zu nehmen, in welcher sie sich kurzerhand wieder verrannt hatte. Böse konnte die Blauhaarige ihr jedoch nicht sein, immerhin war der Trick zu ihrem beste und ziemlich erfolgreich.

 

„Du, Momiji?“, wechselte die Wasserscheue das Thema. Ein „hm?“ kam zur Antwort und sie setzte fort: „Du magst Schwimmbäder und sowas echt gerne, oder?“ „Wie kommst du plötzlich darauf?“, war Angesprochene etwas verdutzt, „Aber ja, ich schwimme sehr gerne. Im Wasser fühlt man sich so schwerelos und frei.“ „Warum bist du dann nicht im Schwimmclub?“, wunderte sich Rin. „Das passt zeitlich einfach nicht mehr in den Plan“, betrübte sich ihr Gesicht ein wenig, „Außerdem sind da viele gute Schwimmer mit top Figur. Da kann ich doch nicht mithalten und werde am Ende eh nur ausgelacht.“ „Geht’s in erster Linie nicht um den Spaß und die Liebe zu diesem Sport?“, verstand die Stipendiatin nicht ganz. „Mag vielleicht sein, aber das passt sowieso mit meiner Arbeit für Suzuki-kun einfach nicht zusammen. Ich habe keine Zeit, um mich aktiv darauf zu konzentrieren“, trug sie ihre Gründe vor. „Ich spiele doch auch nebenbei Lacrosse. Da bin ich sicher, dass wir das auch geregelt bekommen“, war die Sportlerin sich sicher, „Wobei ich nicht verstehe warum du für Kuro arbeitest. Erpresst er dich oder so?“ „Wie kommst du bloß immer auf solche abstrakten Ideen?“, musste die Blau-Grünhaarige lachen, „Man kann einiges dazulernen und Geld kann man sowieso immer gebrauchen. Auch wenn ich ein Stipendium habe.“ Erstaunt kam es von Rin: „Du hast auch ein Stipendium? Ach, deswegen benimmst du dich nicht so bescheuert wie die anderen Schnepfen.“ „Na ja, ein Stipendium heißt ja nicht, dass man arm ist oder so. Man ist einfach nur sehr gut in der Schule“, versuchte Momiji jegliche negativen Vorurteile direkt aus der Welt zu schaffen. „Ja, da hast du wohl recht“, stimmte ihr Gegenüber ihr zu.

 

Noch eine Weile plauderten sie fröhlich miteinander und die Blauhaarige konnte sogar kurzzeitig einen kleinen blau schimmernden Schmetterling aufsteigen sehen. Momijis Social Link war wie es schien auf die dritte Stufe gestiegen.

 

 

 


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