Kapitel 22 - Stadtbummel


 

 

Sonntag, 26. April 2015

 

 

 

Eilig stieg Rin aus der U-Bahn des Hauptbahnhofes aus. Wie so oft war sie mal wieder viel zu spät dran, als sie zum Treffpunkt hechtete. Amika wartet dort bereits geduldig auf Zuspätkommende. Die Brünette trug einen kurzen schwarzen Pulli mit hochgeschobenen Ärmeln und dazu eine taillierte fliederfarbene Hose mit hochgekrempelten Beinen, wodurch ihre schwarzen Sneakers besser zur Geltung kamen. Dazu trug sie noch eine Halskette mit einem goldenen Kleeblatt und ein mehrfach ums Handgelenk geschlungenes goldenes Armband.

 

„Tut mir leid, ich habe verschlafen“, entschuldigte sich die Blauhaarige außer Atem. „Irgendwie dachte ich mir das bereits“, musste die Brünette unweigerlich grinsen, „Na dann mal los.“

 

Mit diesen Worten setzten sich die beiden Mädels in Bewegung. In erster Linie ging es darum für Rin ein neues Handy zu kaufen, was die beiden Freundinnen aber für einen entspannten Stadtbummel nutzten. Sie hatten sich schon so lange nicht mehr gesehen und da neuerdings die Zeit der Blauhaarigen knapp bemessen war, mussten sie es einfach ausnutzen mal frei zu haben. Außerdem hatte ihr Kuro bereits einen Vorschuss ihres monatlichen Lohnes ausgezahlt.

 

„Du, Ami?“, begann die Stipendiatin, als sie soeben durch die Handyabteilung eines Elektro-Fachgeschäftes schlenderten, „Willst du nicht doch wieder an die Suzuki Akademie wechseln?“ Schwermütig schnaufte Angesprochene und wusste nicht, was sie darauf antworten sollte: „Hm… Ich weiß nicht so recht. Eigentlich will ich liebend gerne mit dir in einer Klasse sein, aber ich kann die Akademie nicht ausstehen. Überall diese Neureichen, denen man nicht hochrangig genug ist und dann noch der Unterrichtsstoff, der so extrem schwer ist. Dagegen ist die staatliche Aehara Schule fast schon ein Spaziergang.“ „Ich weiß ja, dass du in der Vergangenheit schonmal auf die Akademie gegangen bist und es absolut nicht mochtest, aber ich finde es blöd, dass wir uns kaum noch sehen“, jammerte die Blauhaarige. „Kommst du denn mit dem Unterrichtsstoff mit?“, fragte Amika neugierig, „Immerhin sind wir beide keine wirklichen Leuchten in der Schule.“ „Ach das wird schon“, grinste Rin optimistisch, welche nur einen kritischen Blick zugeworfen bekam.

 

„Aber weißt du, im Moment kann ich so oder so nicht wieder an die Akademie wechseln. Sie ist viel zu teuer und hat meine Eltern zuvor schonmal fast Kopf und Kragen gekostet. Wie du weißt verdienen wir nicht so viel wie es meine Eltern gerne hätten. Trotzdem tun sie so, als seien sie wohlhabend“, nahm es die Brünette locker, „Jetzt ist auch noch das Haus abgebrannt und wir haben so gut wie nichts mehr. Wäre ich nicht so leichtsinnig gewesen, wäre alles anders gekommen.“

 

Man merkte richtig, wie ihre Laune immer schlechter wurde und sich die Schuldgefühle in ihr ausbreiteten. Obwohl sich ihr Familienverhältnis dadurch drastisch besserte, empfand sie dennoch Reue und wünschte sich, dass es wieder wie vorher werden würde.

 

„Mach dir nicht so einen Kopf. Die Vergangenheit lässt sich sowieso nicht ändern“, versuchte Rin ihrer besten Freundin Trost zu spenden, „Außerdem ist dir doch auch keiner böse, oder? Deine Eltern waren total in Sorge.“

 

Daraufhin schwieg sie und schaute sich die ausgestellten Mobiltelefone intensiver an. Auch die Blauhaarige schaute nun genauer nach einem Model, das ihr gefallen könnte.

 

„Das ist ja schön“, hielt Amika ein in rosé gefärbtes Smartphone in die Höhe. „Ew“, verzog ihre Freundin daraufhin das Gesicht, „Das ist rosa. Und außerdem viel zu teuer.“ „Aber ich würde das gerne haben“, testete die Brünette freudenstrahlend besagtes Handy. Ihr Gegenüber schnaubte nur: „Du hast doch noch ein funktionstüchtiges Telefon. Wozu ein Neues? Außerdem hast du eh nicht genug Geld dafür.“

 

Wo Rin recht hatte, hatte sie recht. Geld war im Moment nicht unbedingt das wovon die Oberschülerin am meisten hatte, weswegen sie das Handy wieder in die Halterung zurücksteckte und weiter nach einem hübschen Model für die Stipendiatin suchte.

 

„Am liebsten wäre mir eigentlich ein altes Klapphandy. Da spare ich am meisten und zum Telefonieren reicht es allemal“, überlegte die Blauhaarige.

 

Jedoch sollte es sich zur heutigen Zeit eher schwerer gestalten noch irgendwo ein Klapphandy aufzutreiben. Eigentlich hatte mittlerweile jeder ein Smartphone und war über Line erreichbar.

 

„Willst du denn gar kein Smartphone? Die sind superpraktisch und bald schon lebensnotwendig, weil damit so viele Dinge gemacht werden können“, legte Amika den Kopf schief. „Ehrlichgesagt war ich schon ein bisschen neidisch auf alle anderen, die schon eins haben“, gestand das Mädchen, „Aber wenn ich die Preise sehe, will ich lieber doch keins.“ „Irgendwie verständlich“, nickte die Brünette, „Welches würde dir denn am besten gefallen? Unabhängig vom Preis?“

 

Auf die Frage hin deutete die langhaarige Oberschülerin auf eines der teuersten Modelle und grinste schief: „Ich fand diese Marke schon immer cool. Allerdings zahlt man da für den Markennamen mit. Obwohl ich gehört habe, dass es echt gut sein soll. Dafür gibt es auch voll schöne Hüllen.“ „Kann es sein, dass du dieses Handy schon länger im Blick hast und deswegen kein anderes finden willst?“, traf Amika den Nagel auf den Kopf. Erschrocken blickte die Blauhaarige zu ihrer besten Freundin herüber: „Jetzt wo du es sagst…“

 

Die Unterhaltung der beiden Oberschüler ging noch eine ganze Weile weiter. Auch erklärte Rin, dass sie wegen Kuros Forderung unbedingt ein Handy auftreiben musste. Dadurch kamen sie auf den Assistenzjob der Blauhaarigen zu sprechen, worüber sich Rin wütend ausließ. Sie konnte diesen Typen einfach nicht ausstehen.

 

Nach einigen Minuten vor den ausgestellten Handys wurden die Schülerinnen plötzlich angesprochen: „Bist du das, Rin?“

 

Schlagartig blickte sich Angesprochene nach der Stimme um und entdeckte ein Mädchen mit blau-grünen Haaren und ebenso zweifarbigen Augen. Den Großteil ihrer lockigen Haare hatte sie zu einem seitlichen Zopf gebunden, während der Rest wie immer ihr Gesicht einrahmte und ein Auge beinahe verdeckte. Außerdem fiel Rin auf, dass um ihren Hals eine Kette mit einem sternenförmigen Edelstein hin. Er erinnerte farblich an einen Diamanten, was die Oberschülerin nicht verwerflich fand bei einer Schülerin der Akademie.

 

„M-Momiji?“, musterte die Blauhaarige ihr Gegenüber mit weit aufgerissenen Augen, „Was machst du denn hier?“ „Ich wurde von meiner Familie hergeschickt, um ein paar Erledigungen zu machen“, erklärte sich die Jüngere.

 

Verstehend nickte die Stipendiatin und machte ihre beste Freundin erstmal mit der neu Hinzugekommenen bekannt. Diese lenkte das Thema dann schlussendlich aber auf die Ausstellungsstücke, vor welchen sie sich alle befanden: „Sucht ihr nach neuen Telefonen?“ Kurz erklärte Rin den Grund und wäre beinahe schon wieder wütend geworden, weil sie zu einem Mobiltelefon gezwungen wurde.

 

„Ach so ist das“, überlegte Momiji, „Hm… Wenn du willst… A-Also du musst nicht, aber ich hätte noch ein altes Klapphandy? Das benutze ich sowieso nicht mehr.“ „Ehrlich?!“, funkelten Rins Augen vor Freude, was die Blau-Grünhaarige verlegen Lächeln ließ.

 

 

 

Gegen Nachmittag hatten sich die beiden besten Freundinnen in einem Café niedergelassen, um kurz zu entspannen. Zuvor hatten sie noch allerhand Läden unsicher gemacht und die ein oder anderen neuen Kleidungsstücke gekauft. Amika hatte sogar ein kleines Hard-Case-Täschchen gefunden, welches sich die Blauhaarige an den Gürtel schnallen konnte, um darin ihren auffälligen Schlüsselbund sowie den Edelstein zu verstauen.

 

„Ich kanns immer noch nicht fassen, dass das eigentlich kein Traum war“, nippte die Brünette an ihrem Latte Macchiato. „Ich auch nicht. Allein, dass es solche übernatürlichen Kräfte gibt und wir irgendwie in der Zeit herumgereist sind, ist schon verrückt genug. Aber dann noch dieses Dungeon-Ding und dass du im Koma lagst, bis wir dein anderes Ich dort befreit hatten… Einfach nur eigenartig“, verstaute Rin den Schlüsselbund in ihrer neuen Tasche, ehe sie diese an ihren Gürtel schnallte. „Wir sind ja nicht gezwungen diese Elementarkräfte weiterhin zu benutzen“, zuckte Amika mit den Schultern. „Der Meinung bin ich auch, aber Skye sagte, dass wir sie wohl angeblich brauchen und trainieren müssen. Weiß der Geier warum“, nahm die Blauhaarige einen kleinen Löffel der Sahnehaube ihrer heißen Schokolade. Kurz musste ihr Gegenüber überlege: „Wer war nochmal Skye?“ „Weißt du nicht mehr?“, hakte die Stipendiatin nach, „Wir waren zu viert im Dungeon. Kuro, Akira, Skye und ich. Das war der kleine Klugscheißer.“ „Ach dieser niedliche Kleine mit den flauschigen Haaren? Den würde ich gerne mal knuddeln“, grinste die Brünette dämlich drein und versuchte ein Quieken zu unterdrücken. Rin hingegen war da anderer Meinung und schmollte: „Keine Ahnung wo der niedlich ist. Es gibt Momente, in denen ist er so fies wie Kuro. Außerdem benimmt er sich viel zu vernünftig und ist weder süß noch sonst was. Nur ernst und langweilig. Ach ja, und er kennt irgendwie nichts anderes als seine Videospiele, dieser Stubenhocker.“ „Klingt trotzdem schön. Ihr scheint euch ja echt gut zu verstehen“, lachte Amika. „Du hast echt eine Geschmacksverirrung“, verdrehte die Blauhaarige die Augen, „Genauso wie mit deinen ständigen Schwankungen was die Liebe angeht.“ „Aber findest du Akira nicht auch total attraktiv? Das wäre doch ein richtiger Traummann“, begann die Brünette zu schwärmen. „Du hast doch einen an der Klatsche“, schnaubte Rin genervt, „Hast du überhaupt mitbekommen, wie er mich die ganze Zeit in der Mittelschule gemobbt hat?“ „Das ist doch alles Vergangenheit. Jetzt ist er ein echt feiner Kerl geworden“, grinste die Oberschülerin liebeskrank.

 

Ihr Gegenüber wollte dazu nichts mehr äußern. Immerhin war sie noch immer anderer Meinung und wollte ihm nicht über den Weg trauen. Dazu hatte er sie zu oft zum Narren gehalten. Obwohl ihr seine Liebeserklärung noch immer zu schaffen machte. Meinte er es wirklich ernst oder würde er demnächst vor ihr stehen und sie auslachen, weil sie ihm den Witz geglaubt hatte?

 

Sollte Rin vielleicht mal mit ihrer besten Freundin darüber reden? Sie würde sie echt gerne um Rat fragen. Allerdings wollte sie ihr nicht wehtun, da sie ja nun für ihn schwärmte. Es war eine verzwickte Situation.

 

Nach längerem Grübeln beschloss die Blauhaarige einfach abzuwarten, bis ihre Freundin wieder einen anderen Kerl ins Auge gefasst hatte. Für gewöhnlich dauerte das nicht all zu lange.

 

„Vielleicht sollte ich ihm nächste Woche direkt meine Liebe gestehen“, dachte die Brünette ernsthaft darüber nach, „Oder ich frage ihn nach einem Hausaufgaben-Date und komme ihm erstmal näher, damit er sich auch ganz sicher in mich verliebt. Vielleicht macht er ja dann auch den ersten Schritt.“

 

Voller Vorfreude quiekte sie leise mehrmals auf und war völlig in ihrer Traumwelt versunken. Rin betrachtete sie eine Weile, sagte jedoch nichts. Die Stipendiatin war dieser Gespräche langsam überdrüssig, denn Amika tat sowieso was sie wollte und ging stets mit dem Kopf durch die Wand. Selbst wenn sie einen Korb bekam war sie nie lange traurig, denn kurz drauf fand sie schon wieder einen anderen Kerl attraktiv. Meistens jedoch waren es Männer, welche weitaus älter waren als sie. Akira schien in diesem Fall eine Ausnahme zu sein. Generell kam es der Blauhaarigen so vor, als sei ihre Freundin noch nie richtig verliebt gewesen. Dazu war sie viel zu sprunghaft.

 

Nachdem sich Rin eine Weile das Kauderwelsch der Brünetten angehört hatte, beschloss sie schließlich wieder aufzubrechen: „Lass uns gehen. Wir haben genug Energie getankt und ich will heute noch unbedingt in den Comic Shop, bevor er schließt.“ „Na gut“, folgte sie ihr ohne Widerworte.

 

 

 

Endlich vor besagtem Ziel angekommen verabschiedete sich Rin kurzzeitig: „Ich beeile mich, okay?“ „Lass dir ruhig Zeit“, winkte Amika ab und blieb alleine zurück, während ihre beste Freundin den Manga-Laden betrat.

 

Die Brünette konnte mit Manga und der ganzen Szene nicht wirklich etwas anfangen. Eine Zeit lang fand sie den ein oder anderen Anime ganz interessant, aber generell war das alles nicht ihre Welt. Sie verlor sich lieber in Modemagazinen und in Klamottenläden oder Schmuckgeschäften. Trotz allem tolerierte sie das Hobby ihrer Freundin und beschwerte sich nie. Immerhin beschwerte sich die Blauhaarige auch nicht, wenn Amika in ein Geschäft wollte, welches sie nicht sonderlich interessierte.

 

Während die Oberschülerin in der Einkaufsstraße wartete, betrachtete sie die ein oder anderen Schaufenster angrenzender Schmuckgeschäfte. Zwar konnte sie sich nichts davon leisten, aber anschauen kostete ja nichts.

 

Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter, was sie erschrocken umdrehen ließ.

 

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Aber du bist doch Rins Freundin oder?“, sprach der junge Mann, welcher zu besagter Hand gehörte. Verdutzt wurde er von einem rotbraunen Augenpaar angestarrt: „K-Kuro-kun?! Was machst du denn hier?“ „Das ist eine öffentliche Einkaufsstraße“, verstand er die Frage nicht. „Und was willst du von mir?“, war die Oberschülerin noch immer verwirrt darüber, dass er sie angesprochen hatte.

 

Da er fragte, ob sie Rins Freundin sei, war sie sich fast schon sicher, dass er sie nur wegen ihr ansprach. Oder vielleicht ging es um das Geschehen im Dungeon und ihre Kräfte. Was er wohl wissen wollte?

 

„Ich wollte kurz mit dir reden“, drückte er sich noch immer undeutlich aus. „Okay? Und was genau willst du bereden? Ich habe nicht viel Zeit, weil ich gerade auf Rinacchi warte“, blickte Amika kritisch drein.

 

Sie vertraute dem Kerl nicht wirklich. Vor allem nach den Erzählungen ihrer Freundin, konnte sie ihn selbst auch nicht wirklich leiden.

 

„Na ja, es geht um Rin und dauert nur ganz kurz“, wurde der Schwarzhaarige zwar etwas genauer, aber noch immer zu undeutlich für die Brünette. „Dann rück doch einfach mit der Sprache raus und sag was du sagen willst“, verschränkte die Oberschülerin die Arme. „Ich dachte mir, da du ihre beste Freundin bist, weißt du das vielleicht und kannst mir weiterhelfen“, kratzte sich der junge Mann verlegen am Hinterkopf. Er zögerte merklich und schien etwas nervös, was auch das Mädchen ein wenig verunsicherte.

 

Was zum Teufel wollte er bloß wissen? Und warum fragte er Betroffene nicht einfach selbst? Wenn es etwas war, was sie ihm nicht sagen wollte, dann würde es Amika doch erstrecht nicht ausplaudern. War das dem Typen etwa nicht bewusst?

 

„Du weißt ja nun auch von den Elementarkräften und so Bescheid. Aber Rin sträubt sich dagegen sie zu nutzen. Und im Schwimmunterricht geht sie auch nicht ins Wasser“, begann der Suzuki-Erbe, „Zuerst dachte ich, dass sie einfach nur keine Lust hat sich damit auseinanderzusetzen, aber so langsam befürchte ich, dass es einen triftigen Grund gibt, warum sie sich dagegen wehrt. Weißt du mehr?“ „Ja, ich kenne den Grund, aber das heißt nicht, dass ich ihn dir verrate. Ich bin mittlerweile auch nicht mehr davon angetan mein Feuerelement zu nutzen, eben weil es gefährlich ist“, stemmte das Mädchen die Hände in die Hüfte. „Die Kräfte sind das Eine, aber das Andere ergibt keinen Sinn. Warum wehrt sie sich gegen sämtliche Wasseransammlungen? Sie weiß genau, dass sie ihr Stipendium verliert, wenn sie nicht am Schwimmunterricht teilnimmt oder eine schlechte Note kassiert. Ich kapier ihre Beweggründe nicht“, war Kuro wirklich ratlos.

 

Sein Gegenüber musste sich daraufhin erstmal sammeln. Sie konnte ihm den Grund nicht einfach nennen, weil sie damit ihre beste Freundin verriet. Allerdings wollte sie es auch nicht zulassen, dass Rin deswegen von der Schule fliegen würde. Immerhin war sich Amika sicher, dass der Schwarzhaarige etwas gegen den Rausschmiss tun könnte, wenn er den Grund wüsste. Trotzdem war das nicht die Angelegenheit der Brünetten, sondern ganz alleine Rins Entscheidung.

 

„Du musst ihre Beweggründe nicht verstehen“, kam es ernst aus der Oberschülerin, „Ich werde dir auf jeden Fall nichts verraten. Das ist eine Sache zwischen euch beiden. Damit habe ich nichts zu tun.“ „Du weißt genau wie stur sie manchmal sein kann. Und du weißt auch, dass sie im Lacrosse-Team bleiben will. Warum hilfst du ihr nicht?“, verstand der Suzuki-Erbe nicht, warum Amika schwieg, „Willst du irgendetwas als Gegenleistung für die Information? Schmuck oder so? Ich kaufe es dir.“ Wieder einmal blickte das Mädchen sichtlich irritiert drein: „Ist das dein Ernst? Bestechung? Sehe ich so aus, als ob ich mich bestechen lassen würde? Und warum zum Henker willst du das wissen? Hast du Angst, dass sie am Ende von der Schule fliegt und du keinen mehr hast den du quälen kannst?“ „Quälen?“, zog der Suzuki-Erbe überrascht seine Brauen nach oben, „Wie kommst du auf solchen Mist?“ „Wie auch immer. Die Sache geht mich nichts an. Kläre das mit Rinacchi oder lass es. Es ist allein ihre Entscheidung, ob sie dir den Grund verraten möchte oder nicht“, wurde die Brünette immer gereizter, drehte ihm schlussendlich den Rücken zu und stolzierte einige Meter davon, um ein anderes Schaufenster zu bestaunen.

 

„Die ist ja noch nerviger als ihre Freundin“, verdrehte Kuro die Augen und spazierte davon.

 

Er war sich selbst nicht so ganz im Klaren, warum er Amika diese Frage stellte. Seit Rin ihm vor zwei Tagen an den Kopf geworfen hat, dass es wohl einen Grund für ihre Wasserscheu geben würde, ließ ihn das Thema nicht mehr los. Als er die Brünette dann zufällig dort vor dem Schmuckgeschäft stehen sehen hatte, überkam es ihn sie zu fragen. Aber je mehr er darüber nachdachte, umso mehr begriff er, was die Oberschülerin zu ihm sagte. Als gute Freundin plauderte man nicht einfach anderer Leute Geheimnisse aus. Abgesehen davon kam ihm jetzt erst die Idee die Blauhaarige einfach persönlich nach dem Grund zu fragen. Vielleicht würde das helfen sie zu verstehen und ihr dennoch das Stipendium nicht aberkennen zu müssen. Andererseits konnte er sich den Grund nicht wirklich zusammenreimen. Wenn es etwas Gravierendes war, so hätte sie sich ganz einfach bei einem Arzt ein Artest holen können, welches sie vom Schwimmen befreite. Warum tat sie das nicht? Dann konnte der Grund ja gar nicht so schlimm sein, oder? Also musste er sich reintheoretisch auch keinen Kopf darum machen, dass sie ein ernstes Problem hatte und am Ende von der Schule fliegen würde.

 

„Es ist also nur ein banales kleines Problemchen einer dummen Oberschülerin“, murmelte er in seinen Bart.

 

 

 

 

 

Den Abend verbrachte Rin mal wieder damit das Durcheinander im Büro des Suzuki-Erben zu bewältigen. Tatsächlich kam sie schon ein großes Stück voran und endlich war mal ein kleiner Lichtblick zu sehen. Trotzdem hatte sie noch jede Menge zu tun. Motiviert schleppte sie Ordner und Papierstapel von hier nach da, als plötzlich die Bürotür aufging und Kuro hereintrat.

 

„Du bist ja immer noch nicht fertig“, kam es belustigt, aber trocken aus dem Schwarzhaarigen. Damit brachte er das Mädchen natürlich wieder auf die Palme: „Dann mach es besser! Jedes Mal, wenn ich abends gehe, ist am nächsten Tag wieder mehr zum Aufräumen. Das machst du doch mit Absicht!“ „So viel mehr ist das gar nicht. Du bist einfach viel zu lahm“, ließ sich der Ältere nicht ärgern. „Und du bist viel zu unorganisiert und chaotisch“, verschränkte die Blauhaarige die Arme und wendete motzig den Blick ab. „Wenn du meinst“, zuckte der junge Mann mit den Schultern.

 

Scheinbar hatte Kuro an diesem Abend wenig Lust diese Diskussion noch ewig weiterzuführen, weswegen er sich einfach wortlos hinter seinen Computer klemmte und seiner Schreibarbeit nachging. Auch das Mädchen schien kein Interesse mehr am Streiten zu haben und fuhr ebenfalls wieder mit ihrem Papierkram fort. Sie wollte endlich fertig werden. Immerhin stand die Golden Week an und sie hatte an ihren freien Tagen besseres zu tun, als zu arbeiten. Zumal sie immer noch für die Prüfungen lernen musste.

 

 

 

Nach einer ganzen Weile des Schweigens, meldete sich Kuro zu Wort: „Hast du mal einen Augenblick?“ Überrascht drehte sich die Blauhaarige zu ihm herum: „O-Okay?“

 

Daraufhin schritt sie neugierig auf den jungen Mann zu: „Was ist denn?“ „Es geht um die Schule“, setzte er an.

 

Das irritierte Rin jedoch gänzlich. Sie dachte er wollte ihr noch mehr Arbeit aufhalsen oder dergleichen.

 

„Wie Schule? Wegen was denn?“, legte das Mädchen den Kopf schief. „Du könntest dein Stipendium verlieren“, erwähnte der Ältere vorsichtig, „Willst du das wirklich riskieren?“ Genervt schnaubte die Blauhaarige und verschränkte die Arme: „Ich wüsste nicht was dich das angeht.“ „Und wann gedenkst du dich dem Schwimmunterricht endlich zu stellen?“, ließ der Schwarzhaarige nicht nach, „Das ist doch kein Zustand, dass du Angst vor Wasser hast. Immerhin ist das ja sogar dein Element.“ „Es geht dich trotzdem nichts an“, murrte die Oberschülerin genervt und widmete sich wieder ihren Papierhaufen. Kuro hingegen ließ noch immer nicht von ihr ab: „Ich könnte dir helfen, wenn du mir das Problem schilderst.“

 

Statt einer Antwort erhielt der junge Mann jedoch nur Schweigen. Rin hatte absolut keine Lust dieses Gespräch mit ihm zu führen. Es würde sowieso im Sand verlaufen, denn ihr Gegenüber konnte ihr nicht einfach so die Angst vorm Wasser nehmen. Und dafür zu sorgen, dass sie das Schwimmen sausen lassen durfte, würde er sicherlich nicht. Diesen Gefallen würde er ihr nie und nimmer tun.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit der Stille, stand der Suzuki-Erbe schließlich vom Stuhl auf und begab sich zur Blauhaarigen, welche auf dem Boden zwischen Papierbergen saß. Direkt neben ihr ging er in die Hocke und fragte ihr erneut Löcher in den Bauch: „Warum hast du Angst vor Wasser? Theoretisch kann dir doch rein gar nichts passieren. Das ist dein Element.“

 

Wieder ignorierte die Stipendiatin seine Neugierde und machte einfach weiter mit ihrem Tun.

 

„Willst du wirklich von der Schule fliegen? Ich kann nichts tun, wenn du nicht ein wenig auf mich zukommst“, versuchte Kuro ihr ernsthaft zu helfen.

 

Vielleicht war auch ein großer Hauch Neugierde mit dabei, aber in vielerlei Hinsicht wäre es auch für ihn unvorteilhaft, wenn Rin von der Schule abgehen würde. Er war es, der ihr blindlinks ein Stipendium gab. Wie würde es aussehen, wenn sie nach wenigen Monaten schon wieder von der Schule fliegen würde? Das würde kein gutes Licht auf den jungen Mann werfen. Er hatte sowieso schon mit Neidern zu kämpfen, die ihn für zu jung empfanden und um seinen Posten kämpften. Außerdem wäre es unvorteilhaft, wenn er dadurch seine Assistentin verlieren würde. Zwar wäre es halb so schlimm, wenn die Blauhaarige nicht an der Akademie zur Schule ging, allerdings würde somit auch der Deal platzen. Dann wäre sie nicht mehr verpflichtet für ihn zu schuften. Und der Suzuki-Erbe war sich sicher, dass das Mädchen nicht freiwillig für ihn weiterarbeiten würde.

 

Mit einem lauten Schnauben versuchte er erneut zu ihr durchzudringen: „Willst du wirklich so gar nichts dazu sagen? Du weißt doch, dass ich in einer Position bin, in der ich dir unter die Arme greifen kann.“ „Du kannst mir nicht helfen“, rührte sie sich endlich, „Das kann keiner.“ „Versuch es doch wenigstens und sag mir was das Problem ist“, redete Kuro weiter auf sein Gegenüber ein. „Wenn du mir wirklich helfen willst, dann befrei mich einfach vom Schwimmunterricht“, sah die Blauhaarige ihn außergewöhnlich ruhig, aber mit genervter Miene an. Wieder schnaubte der junge Mann laut: „Ich kann dich aber nicht grundlos freistellen.“ „Dann denk dir einen Grund aus oder lass mich in Ruhe damit“, murrte das Mädchen. „Du wirst früher oder später dein Stipendium verlieren, wenn du weiter so stur und ignorant bleibst“, meckerte er nun. „Was geht’s dich an?“, keifte die Oberschülerin ihn sauer an, „Dann such dir eben einen anderen Depp, der deinen Scheiß erledigt!“

 

Wutentbrannt sprang Rin daraufhin auf und stapfte zur Tür: „Ich mache Feierabend!“ „Lass dich fahren. Es ist schon spät“, rief der Schwarzhaarige hinterher.

 

Jedoch war die Jüngere so schnell davongelaufen, dass sie seine Worte vermutlich nicht mehr vernommen hatte.

 

„So eine Ignorantin“, knurrte Kuro sauer und setzte sich wieder hinter den Computer.

 


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