Kapitel 2 - Neue Schule alte Bekannte


Samstag, 04. April 2015 mittags

 

Es war bereits Mittag, als Rin endlich erwachte. Hungrig und verschlafen stieg sie die Treppe hinunter in die Küche. Dort hatte ihr Bruder ihr ein Schälchen Reis mit ein paar Beilagen bereitgestellt mit einem Zettel dran, welcher erklärte, dass es für sie sei und dass er in der Uni war.

Beim Essen wäre sie beinahe wieder eingeschlafen. Auf die Zeitverschiebung kam sie immer noch nicht richtig klar.

„Oh man bin ich müde“, gähnte sie herzhaft während sie sich noch eine Flasche Wasser organisierte und wieder die Treppe hinaufstieg, um sich anzuziehen.

Beim Ausziehen der Hose plumpste etwas heraus und das Mädchen schreckte auf: „Der Schlüssel und der Edelstein?! Ich verstehe echt nicht mehr was hier Traum und was Realität ist.“

Während sie darüber nachdachte musterte sie den Schlüssel erneut: „Woher kenne ich dich?“

Leider kam sie auch dieses Mal auf keine Idee und entschloss den Schlüssel sowie den Edelstein an einem Lederband zu befestigen und als Kette zu tragen. Sah immerhin ganz nett aus als Schmuckstück.

Kaum hatte sie es angelegt, musterte sie sich im Spiegel und plötzlich stockte ihr Atem. Schlagartig trat sie näher an ihr Spiegelbild heran, so nah, dass kaum noch etwas dazwischen gepasst hätte. Ihre Augen waren geweitet vor Schreck und sie verstand die Welt nicht mehr.

„EH?!“, schrie sie laut und langgezogen aus, als im selben Moment etwas blau aufblitzte und ihre Wasserflasche fontänenartig explodierte.

Durch den Spiegel konnte sie das plötzliche Phänomen zufällig begutachten und drehte sich daraufhin in Windeseile um, damit sie es in Echt sehen konnte.

„Was…“, hob sie die leere Plastikflasche auf und konnte nicht glaube, dass sich diese von selbst entleert hatte. Sie kannte es von diesen Flaschen zwar, dass sie oft ausliefen, weil der Deckel nicht geschraubt wurde, sondern nur draufgesteckt. Aber dass eine solche Flasche einfach wie eine Fontäne schießen würde, das hätte sie nicht erwartet.

„So langsam wird’s echt gruselig“, leicht zitterte sie und fasste sich mit beiden Händen an ihre Oberarme. „Außerdem…“, wandte sich Rin wieder ihrem Spiegel zu, „Brüste?! War ich nicht gestern noch ein Junge?!“

Es dauerte zwar etwas bis sie das endlich realisiert hatte, aber ja, seitdem sie aufgestanden war, war sie wieder weiblich. Noch eine ganze Weile starrte sie ungläubig in den Spiegel. Irgendwer trollte sie hier mächtig, das war klar.

Ihre Haare waren wieder lang, ihre Augen wieder blau und ihre Brüste hatten wieder die normale Form. Außerdem war dieses andere Etwas endlich wieder weg. Sie vermochte gar nicht daran zu denken, lief jedoch knallrot an.

Um den Gedanken wieder aus dem Kopf zu bekommen, schlug sie plötzlich mit ihren Handflächen auf ihre Wangen: „Genug jetzt. Ich muss Saito anrufen.“

Kurz suchte sie ihr Handy, welches noch auf dem Nachttisch lag. Es war ein altertümliches Klapphandy mit hübschem blau-schwarzem Karomuster, das ihr Bruder ihr vermacht hatte, als er sich vor einiger Zeit ein Smartphone kaufte. Klar hätte sie auch lieber eines gehabt, aber das war leider nicht drin. Die Familie war einfach immer knapp bei Kasse, weil der Vater bald mehr in seine Forschung investierte, als er herausbekam. Saito hatte zwar noch einen kleinen Nebenjob, aber selbst der brachte nicht genug ein, weshalb es in der Vergangenheit sogar manchmal knapp mit dem Essen geworden war. Die Blauhaarige wollte zwar auch in der Mittelschule bereits einen Nebenjob suchen, doch verbot es ihr ihr Bruder, da sie zu dieser Zeit noch zu jung war und sich außerdem auf die Schule konzentrieren sollte.

Deswegen beschwerte sie sich nie darüber, wenn sie abgelegte und alte Dinge ihres Bruders bekam. Auch war ihr aus diesem Grund das Stipendium so wichtig. So hatte sie nicht nur die Chance auf eine Eliteschule gehabt, sondern auch die Schulkosten wären ihr erstattet worden. Leider hatte sie es gründlich versaut.

Mit einem geknickten Schnauben klappte sie das Mobiltelefon auf und wählte geschickt mit wenigen Griffen Saitos Nummer.

„Rin? Was ist denn los?“, hörte das Mädchen am anderen Ende ihren Bruder durchs Telefon. Kurz überlegte sie wie sie es formulieren sollte: „Saito-nii, sag mal… War ich gestern ein Junge?“ „Hä?“, kam es verwirrt von der anderen Seite der Leitung, „Wieso fragst du das? Hast du das echt vergessen?“ „Na ja…“, stockte Rin, „Ich hatte es so in Erinnerung, dass ich zu einem Jungen geworden bin mit stechend gelben Augen und kurzen Haaren und mit… du weißt schon.“ „Ja, das warst du ja auch“, war Saito immer noch irritiert, „Bist du etwa wieder normal?“ „Glaube schon.“ „Das ist echt merkwürdig. Ich konnte auch nichts finden, was dieses Phänomen erklären könnte. Vielleicht sind wir ja auch einfach nur gaga und haben halluziniert“, lachte der Blonde. „Als ob“, schmollte das Mädchen. „Ich muss wieder auflegen, Rin“, hatte er es scheinbar eilig, „Heute komme ich erst spät nachts nach Hause. Nach der Uni muss ich noch arbeiten. Vergiss deine Uniform nicht, okay?“ „Jaja, nerv nicht“, meckerte die Blauhaarige und beide legten auf.

Genervt organisierte sich das Mädchen erstmal einen Lappen und einen Eimer, um die riesige Pfütze zu beseitigen. Gott sei dank wurde nichts Wichtiges nass. Das Bett hatte ein wenig abbekommen und die Wand, sowie das Fernsehtischchen. Der Fernseher selbst schien unberührt. Immerhin etwas.

Aber Wasser würde sie heute definitiv keins mehr trinken.

Mit einem Seufzer setzte sie sich auf ihr Bett und überlegte was sie heute wohl am Sinnvollsten treiben könnte. Für den Schulanfang hatte ihr Saito schon alles Weitere organisiert.

„Oh Mist, ich habe ja ganz vergessen mich bei Amika zu melden. Sie wird mich umbringen“, verfiel Rin in leichte Panik und tippte sofort erneut auf ihrem Handy rum, bis es wählte.

„Hallo?“, ertönte eine weibliche Stimme. „Hey, Ami. Ich bin’s“, meldete sich die Blauhaarige. Überrascht kam es aus der Leitung: „Oh, Rinacchi? Bist du endlich wieder da?“ „Ja, Gott sei Dank“, kratze sich das Mädchen am Hinterkopf, „Schon seit gestern eigentlich. Aber ich habe vergessen mich eher zu melden. Dazu war ich zu fertig, sorry.“ „Ach das macht doch nichts“, kam es freundlich von Amika. „Wollen wir uns treffen? Dann können wir uns erzählen was wir in dem Jahr alles versäumt haben. Ich muss dir unbedingt von Amerika erzählen. Da war doch die eine total eingebildete Zie…“, weiter kam Rin nicht, denn sie wurde von dem Mädchen unterbrochen: „Tut mir leid, Rin. Ich habe keine Zeit. Das könnte schwierig werden. Aber du kannst mir ja in der Schule alles erzählen.“ „Schule? Ich habe aber kein Stipendium mehr für die Suzuki Akademie. Dann sehen wir uns doch gar nicht“, war die Blauhaarige geknickt. „Quatsch, ich habe an die Aehara gewechselt. Ich will doch bei meiner besten Freundin sein“, lachte das Mädchen auf. „Echt?!“, strahle Rin bis über beide Ohren, „Du bist die Beste!“

Damit beendeten sie das Telefonat und die Blauhaarige freue sich nun doch auf die neue Schule. Zwar fand sie es schade, dass sie Amika nicht eher sehen konnte, doch das war schon okay. Im Laufe des Tages holte sie noch ihre Uniform ab, die nun endlich passte und vertrieb sich die Zeit mit Fernsehen und Manga lesen.

Zwischendurch schaffte sie es sogar endlich mal ihren Koffer auszuräumen, den sie am gestrigen Tag gekonnt ignoriert hatte.

 

Montag, 06. April 2015

 

Laut klingelte und vibrierte Rins Handy vor sich hin. Völlig verschlafen und mit geschlossenen Augen tastete sie danach und ging genervt mit einem langgezogenem „Was?!“ ran. „Schläfst du immer noch, du Knalltüte?!“, hörte man Saito am anderen Ende der Leitung, „Steh auf, die kommst zu spät!“

Sofort riss das Mädchen die Augen auf und blickte auf ihre Uhr: „Oh Gott! Verdammt! Wieso hast du mich nicht geweckt?!“

Mit einem Satz sprang sie aus ihrem gemütlichen Bett und begann sich telefonierend mit einer Hand die Schlafkleidung auszuziehen.

„Ich hab dich zweimal geweckt. Du bist sogar beim zweiten Mal aufgestanden und auf die Toilette gegangen“, klatschte sich der Blonde die Hand ins Gesicht. „Trotzdem!“, keifte sie ihn an und legte im selben Moment auf.

Eilig machte sie sich fertig, schnappte sich ihr Bento, welches von ihrem Bruder bereitgestellt wurde und rannte aus dem Haus in Richtung Bahn. Die Wasserflasche, welche er ihr daneben gestellt hatte, ignorierte sie jedoch gekonnt. Nach wenigen Stationen musste sie schon wieder aussteigen und rannte weiter in die Richtung der Aehara High School. Die Blauhaarige war sich nicht sicher wo genau die Schule eigentlich war und hatte sich zuvor vorgenommen einfach der Schülermasse zu folgen. Aber sie war so spät, dass weit und breit keiner mehr da war. Von weitem ertönte die Schulklingel zur zweiten Stunde und sie wusste, dass sie gar nicht mehr weit sein konnte. Aber wo genau musste sie bloß hin?

Als sie um die nächste Ecke rannte, krachte sie mit Karacho in jemanden hinein und fiel direkt auf ihren Hintern.

„Aua“, gab sie nur von sich und musterte denjenigen in den sie reingekracht war. Er hatte rote schulterlange Haare und trug ebenfalls die Uniform ihrer Schule. Das schwarze Jackett mit dunkelblauen Streifen an den Seiten und Rändern und eine schwarze Hose. Dazu hatte er noch eine schwarze Mütze auf und einen rot-schwarzen Nietengürtel. Sein Jacket hatte er offen und sein weißes Hemd hing ziemlich unordentlich heraus. Aber urteilen durfte Rin nicht, denn auch ihr Blazer stand offen und ihre weiße Bluse hing über ihrem blau-schwarz kariertem Rock.

Kurz musterte sie ihn und überlegte im Stillen: „Den kenne ich doch. Der war in meiner Mittelschulklasse. Zusammen mit seinem blöden Kumpel hat er mich doch immer fertig gemacht. Ob er wohl auch verschlafen hatte?“

Der Rotschopf rappelte sich wieder auf, klopfte den Staub von sich und hielt Rin seine helfende Hand hin: „Tut mir echt leid, ich hab dich nicht um die Ecke kommen sehen.“ „D-Danke“, griff das Mädchen nach seiner Hand, „Mir tut es auch leid, ich hab ja genauso wenig aufgepasst.“

Mit einem Ruck stand auch sie wieder auf den Beinen und klopfte sich ebenso den Dreck von der Kleidung.

„Gehst du auch auf die Aehara?“, fragte der Junge verunsichert. „Sieht man doch, oder?“, grinste sie schief und verstand die Frage nicht so recht. Er legte den Kopf schräg und schaute Rin verwirrt an: „Du weißt aber schon, dass du dann an der Schule vorbeigelaufen bist, oder?“ „EH?“, war alles was die Blauhaarige geschockt herausbrachte.

Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie schon an der Schule vorbeigerannt war. Dabei sah sie sich doch extra suchend danach um.

Kurz lachte ihr Gegenüber: „Du bist ja drollig. Komm, ich zeig dir den Weg.“ „Selber drollig“, war sie beleidigt. Er setzte sich allerdings einfach in Bewegung und das Mädchen folgte ihm etwas genervt.

„Ich bin übrigens Akira Yoshida, und du?“, grinste er sie fröhlich an. Irritiert sah sie ihn von der Seite an, da sie bereits wusste wer er war, weil er in ihrer damaligen Klasse war. Die alte Leier wollte sie allerdings nicht wieder ausgraben, weswegen sie einfach nur ihren Namen nannte: „Rin Aikawa.“ „Freut mich dich kennenzulernen. Du bist neu an der Schule, oder?“, fragte er heiter. Mit einem kurzen Nicken bestätigte sie es. Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf: „Soll ich dich später in der Schule etwas herumführen?“ „Gerne“, kam ihr dieses Angebot sehr recht, obwohl sie trotzdem noch immer verwirrt darüber war, dass er sie einfach vergessen hatte. Eigentlich mochte sie ihn auch absolut nicht, weil er immer ziemlich gemein zu ihr gewesen war, aber er schien eigentlich kein schlechter Kerl zu sein. Also konnte sie ihm ja seine Chance geben.

Endlich erreichten sie nun auch das Schultor und das Schritttempo der beiden hob sich etwas an. Um herauszufinden in welchen Klassen sie untergebracht waren, blieben sie kurz an der Infotafel stehen.

„Ich bin in der 2B und du?“, fand Akira endlich seinen Namen in der Klassenliste. Rins Gesicht leuchtete förmlich, als sie sah, dass Amika ebenfalls in ihrer Klasse war: „Ich auch.“ „Das ist ja mal ein Zufall“, lachte der Rothaarige.

Da sie die Eröffnungszeremonie leider verpasst hatten, machten sich die beiden Zuspätkommer direkt auf den Weg in die Klasse. Dort angekommen wurden sie natürlich zuerst einmal von ihrem Klassenlehrer gerügt, dann aber auf die noch freien Plätze verwiesen. Glücklicherweise hatte Amika ihrer besten Freundin einen Platz freigehalten, weswegen die Blauhaarige munter auf den Fensterplatz in der letzten Reihe zusteuerte. Akira nahm direkt auf dem Stuhl vor ihr platz und der Lehrer konnte endlich fortfahren.

„Wie kann man denn am ersten Tag verschlafen?“, flüsterte Amika ihrer besten Freundin zu, „Und warum kommst du mit ihm zusammen?“

Sie deutete auf Akira, welcher die Konversation nicht zu bemerken schien.

„Passiert halt. Ich hab ihn aus Versehen über den Haufen gerannt“, grinste die Blauhaarige ihre Freundin an. Sie hatte braune Augen und rotbraune Haare, welche ihr bis zur Schulter ragten und grade abgeschnitten waren. Ihre Uniform trug sie ordentlich zugeknöpft. Statt der schwarzen vorgeschriebenen Kniestrümpfe hatte sie allerdings eine schwarze Strumpfhose angezogen.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit klingelte es endlich zur Mittagspause und Akira drehte sich sofort zu Rin um: „Na wie siehts aus. Soll ich jetzt einlösen was ich versprochen hab?“ „Besser nach der Schule“, kramte die Blauhaarige ihr Bento heraus, „Ich würde gerne die Zeit zum Mittagessen nutzen.“ „Soll mir recht sein“, erhob er sich, um die Klasse zu verlassen, „Ich gehe mir kurz was zu Essen kaufen. Brauchst du auch irgendwas?“

Dankend lehnte Rin ab und der junge Mann verlies den Raum. Amika hatte das Geschehen die ganze Zeit beäugt und schien etwas verstimmt zu sein: „Bist du mit Yoshida-kun befreundet? Seit wann?“ „Ich weiß ja auch nicht. Seit ich ihm heute Morgen begegnet bin ist er so nett und scheint auch vergessen zu haben, dass er mich in der Mittelschule zusammen mit Kuro-kun immerzu schikaniert hatte“, zuckte Rin mit den Schultern. „Und was hat er dir versprochen?“, löcherte die beste Freundin weiter. „Ach, er hat mir nur angeboten die Schule etwas zu zeigen“, winkte das Mädchen ab, „Komm doch einfach mit, Ami. Dann kannst du dir auch gleich alles erklären lassen.“ „Gerne“, freute sie sich. Vielleicht sogar etwas zu sehr, was Rin allerdings nicht bemerkte.

Sie redeten während dem Essen noch ein wenig über alles Mögliche, was sie verpasst hatten in dem Jahr, als Akira wieder zurückkam und auf Rins Tisch eine Dose Limonade abstellte. Wortlos setzte er sich, um seine soeben gekauften Sandwichs zu verschlingen und die Blauhaarige schaute nur verwirrt zu ihm herüber.

„Yoshida-kun?“, fragte das Mädchen vorsichtig. „Ist für dich“, kam es nur knapp, ohne dass er sich zu ihr umdrehte. Verdattert starrte sie die Dose an: „D-danke. Aber warum?“ „Einfach so“, drehte er sich nun doch um und grinste sie an.

Bevor die Blauhaarige noch irgendetwas anderes erwähnen konnte, stand Amika ruckartig von Tisch auf: „Ich gehe kurz auf die Toilette.“

Mit schnellem Schritt und ohne ihre beste Freundin vorher nochmal anzusehen, stiefelte sie davon. Verwirrt schauten ihr die beiden Zurückgelassenen hinterher.

„Was ist der denn über die Leber gelaufen? Ist das deine Freundin?“, hing der Blick des Rotschopfes immer noch an der Tür, durch welche die Brünette soeben verschwand. „Ich weiß auch nicht was sie hat“, grübelte das Mädchen, als sie ihr Getränk öffnete und einen Schluck nahm.

Ob Akira wohl bemerkt hatte, dass Rin nichts zum Trinken dabeihatte? Aber woher hätte er es wissen sollen? Sie hatte es doch mit keinem Wort erwähnt.

Kurz bevor der Unterricht weiterging kam die Brünette endlich wieder in den Saal und setzte sich wortlos.

„War was?“, hakte Rin nach. „Was soll denn gewesen sein?“, kam es nur knapp zurück und die Unterhaltung war beendet.

 

Nach dem Unterricht löste der Rothaarige nun sein Versprechen ein und führte die beiden Mädchen herum. Während Amika wortlos mit verschränkten Armen neben ihrer besten Freundin hertrottete, unterhielten sich die anderen beiden angeregt. Es schien der Brünetten zu missfallen, dass ihre beste Freundin plötzlich so einen guten Draht zu Akira hatte.

Sie schlenderten durchs ganze Gebäude und der junge Mann zeigte den beiden wo sich die Fachräume befanden oder wo das Krankenzimmer war. Auch am Lehrerzimmer und diversen Clubs kamen sie vorbei.

„Und hier sind die Clubräume der Sportclubs“, erklärte der Rotschopf. „Bist du denn eigentlich auch in einem?“, kam direkt die Frage von der Blauhaarigen. Angesprochener grinste nur schief und meinte: „Dazu habe ich leider keine Zeit. Nach der Schule arbeite ich meistens noch. Aber du könntest dich doch in einem Club einschreiben, Aikawa-chan.“ Kurz dachte sie darüber nach: „Ach, ich weiß nicht. Hier gibt es meine favorisierte Sportart bestimmt nicht.“ „Welche denn?“, hakte er nach. „Lacrosse“, war die Frage mit einem Wort beantwortet. Akira hob nachdenklich eine Augenbraue: „Also, die Sportart ist hier zwar kaum verbreitet, aber es gibt ein Lacrosse-Team an dieser Schule. Sollen wir mal vorbeischauen?“ „Ernsthaft?“, weiteten sich ihre Augen, „Wenn das geht, dann gerne.“

„Macht ihr mal“, meldete sich Amika plötzlich auch mal zu Wort, „Ich muss allerdings los. Hab noch was zu erledigen. Wir sehen uns morgen.“ „Oh, okay“, kam es verdutzt von der besten Freundin und sie verabschiedeten sich kurz und knapp.

„Sie ist irgendwie seltsam geworden in diesem einen Jahr“, nuschelte Rin.

Nachdem die beiden Verbliebenden den Sportplatz und die Sporthalle nach dem Team absuchten, klopften sie letzten Endes an die Tür des Clubraumes, welcher im Grunde nur eine Umkleidekabine war. Dort fanden sie das Team endlich. Die gemischten Mitglieder saßen zu fünft in der Kabine, aßen Süßigkeiten, spielten am Handy und tauschten sich über den neusten Klatsch aus.

„Ihr seid das Lacrosse Team?“, ging Rin lieber nochmal auf Nummer sicher, „Wann trainiert ihr denn?“ „Trainieren? Wozu denn?“, kam es von einem genervten Mädchen. „Na ja…“, fehlten der Blauhaarigen etwas die Worte. Ein Junge mischte sich nun murrend ein: „Ist doch total egal. Nachdem unsere Senpais weg sind, hat das hier doch sowieso keinen Sinn mehr.“ „Bist du blöd?“, sah Rin missbilligend in die Rund, „Dann werbt doch welche von den Kouhais an! Außerdem kann man auch zu fünft trainieren! Wieso gebt ihr direkt auf?!“

Völlig genervt von der unmotivierten Gruppe, knallte das Mädchen die Tür des Clubraumes wieder zu und meckerte leise vor sich hin, während ihr Akira blöd guckend folgte.

„Die sind doch total verblödet, oder? Wenn die da so unmotiviert rumhocken verbessern sie ihre Situation rein gar nicht“, verschränkte das Mädchen die Arme. „Wo du recht hast, hast du recht“, stimmt der junge Mann ihr zu, „Tritt dem Team doch bei und trete ihnen mal gehörig in den Hintern.“ „Ich will zwar schon gerne spielen, aber ich habe wenig Lust mich mit so einem unmotivierten Haufen anzulegen“, knurrte sie. „Verständlich.“ „Am liebsten würde ich gerne an die Suzuki Akademie wechseln. Die haben die am besten trainierten Sportclubs in der ganzen Gegend. Und das Lacrosse Team dort soll auch richtig klasse sein“, jammerte sie herum.

Auf die Frage, weswegen sie dann an der Aehara High School war, bekam der Rotschopf eine kurze Erklärung darüber wie sie ihr Stipendium verloren hatte, und dass sich nur die Reichen der Reichen diese Schule leisten konnten.

„Recht hast du ja“, grinste der junge Mann, „Ich könnte mir diese Eliteakademie auch niemals leisten. Man kann dort zwar einen klasse Abschluss machen, wonach einem alle Türen offenstehen, aber die Gebühren sind locker viermal so hoch wie die dieser staatlichen High School hier.“ „Wenn ich doch nur mein Sport-Stipendium wiederbekommen könnte“, schnaufte das Mädchen schwer. Kurz überlegte Akira: „Ich kenne da jemanden, bei dem ich mich mal erkundigen könnte. Vielleicht gibt es ja doch irgendeine Möglichkeit, dass sie es dir wieder anerkennen.“ „Ehrlich?!“, funkelten ihn zwei blaue Augen an. „Eh?“, erschrak er über Rins plötzliches Strahlen, lächelte dann aber lieb, „Ich kanns zumindest versuchen.“ „Das ist ja der Wahnsinn. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass es doch noch eine Chance gibt“, quiekte sie freudig auf und hüpfte hyperaktiv herum.

Akira musste über Rins Freudentanz lachen: „Hätte nicht gedacht, dass dir das so viel bedeutet. Dann hänge ich mich doppelt rein.“ „Du bist der Beste“, strahlte das Mädchen immer noch. „Ich muss mich jetzt allerdings verabschieden. Die Arbeit ruft leider“, wollte er damit seinen Rundgang beenden. „Okay, dann will ich dich mal nicht aufhalten. Danke fürs Rumführen“, verabschiedete sie sich von ihm. „Habe ich doch gerne gemacht. Wenn du noch irgendwelche Fragen hast, dann nur raus damit, okay?“, winkte er ihr nochmal, ehe er ganz verschwand, „Tschüss, bis morgen.“ „Bis Morgen“, winkte auch sie ihm hinterher.

Von weitem hätte sie schwören können, dass ihr ein blauer leuchtender Schmetterling um Akira herum aufgefallen war. Als sie sich die Augen rieb war er jedoch verschwunden.

„Ich träume schon wieder“, kratzte sich die Blauhaarige am Kopf.

Plötzlich ertönte aus dem Nichts eine merkwürdige Stimme: „I Am Thou… Thou Art I...“

Komplett verwirrt sah sich das Mädchen hektisch um, konnte aber keinen ausfindig machen, von dem es hätte kommen können. „Merkwürdig“, nuschelte sie, „I Am Thou? Thou Art I? Was zum Teufel soll das überhaupt bedeuten?“ „Das heißt soviel wie: Ich bin du. Du bist ich“, vernahm sie eine weibliche Stimme.

Sofort fuhr Rin erneut herum, erblickte aber dieses Mal wirklich jemanden. Es war ihre Englischlehrerin, welche sie am heutigen Tag im Unterricht kennenlernte.

„Ach so, danke, Sensei“, war die Blauhaarige immer noch perplex, denn selbst die Übersetzung machte die Aussage nicht weniger unverständlich.

„Wo hast du das denn aufgeschnappt“, lachte sie. „Hab ich grad von ein paar Schülern gehört“, log Rin und grinste schief.

Als ob sie ihr glauben würde, dass die Stimme aus dem Nichts aufgetaucht war.

Trotzdem merkwürdig. Sie hatte diese Formulierung noch nie gehört. Selbst in dem ganzen Jahr in Amerika kam ihr nichts dergleichen unter.

Was solls. Grübeln brachte sie hier nicht weiter. Stattdessen verabschiedete sie sich von ihrem Sensei und machte sich auf den Weg.


Danke fürs Lesen!

Lasst mir gerne einen Kommentar da :)

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