Kapitel 13 - Die perfekte Tochter


Donnerstag, 16. April 2015

Auf der anderen Portalseite

 

„Oh nein, noch mehr Gänge?“, jammerte Rin, als sie die große Holztür aufstieß und in einen endlosen Korridor blickte. Skye stellte fest: „Ich befürchte wir haben da wohl noch den ein oder anderen vor uns.“ „Jetzt sag nicht, dass dieses Theater noch immer kein Ende gefunden hat?!“, kam es ziemlich entsetzt und genervt von dem Suzuki Erben. „Wenn ich jetzt raten müsste, würde ich fast schon sagen, dass wir wahrscheinlich erst die Hälfte des Dungeons überstanden haben“, dachte Akira scharf nach, „Das Ganze hier ist sehr videospielorientiert. In Games gibt es oft einen Zwischenboss, bevor man den tatsächlichen Endgegner erreicht.“

Genervtes Augenrollen überkam den Schwarzhaarigen daraufhin, während sich die Oberschülerin nicht halten konnte und erneut vorpreschte. Sie wollte endlich ihre beste Freundin wiedersehen un mit ihr reden. Alles sollte wieder wie früher werden.

Der Schwarz-blauhaarige kam dem Mädchen zügig hinterher, welches sich immer schneller von den übrigen beiden entfernte. Zwar wurde ihnen dank Rin wieder etwas Energie gespendet, jedoch waren sie noch immer sehr angeschlagen durch den Kampf mit dem Widder. Auch die Schülerin war eigentlich noch sehr ausgepowert, aber ihr Wille trieb sie an und gab ihr Kraft.

„Jetzt mach doch mal langsam“, kam der Jüngste mit kurzen schnellen Schritten näher, „Am Ende verlieren wir uns noch. Es sind alle ziemlich fertig und können kein solches Tempo halten. Wir werden deine beste Freundin schon retten.“ Durch seine Worte verlangsamten sie sich etwas und versuchte sich anzupassen: „Du hast ja recht. Am Ende renne ich nur wieder in irgendeinen blöden Shadow rein.“ „So ist es“, bekam Kuro ihre Worte zu Ohr, „Ich kann dich nicht jedes Mal retten, wenn du wieder in Lebensgefahr bist, weil du kopflos rumrennst.“ „Ey! Das ist doch gar nicht wahr! Außerdem habe ich nie darum gebeten, dass du in meine Kämpfe eingreifst“, keifte sie den jungen Mann wutentbrannt an. Dieser zuckte nur gleichgültig mit den Achseln: „Na dann lasse ich dich beim nächsten Mal eben draufgehen. Allein überlebst du hier niemals.“ „Du redest kompletten Müll! Ich werde dir beweisen, dass ich auch sehr gut ohne dich klarkomme!“, meckerte sie unaufhörlich herum.

Während sich die zwei Streithähne wieder mal bekriegten, warfen sich die übrigen beiden nur einen genervten Blick mit Kopfschütteln zu. So langsam hatten auch sie keine Lust mehr den unnötigen Sticheleien beizuwohnen und schalteten auf Durchzug.

Nach wenigen Minuten endete der ewig lange Gang endlich vor einer normalgroßen Tür. Erneut fand eine kurze Beratungsrunde statt, ehe sich alle einig waren, dass es nichts brachte darüber nachzudenken welche Gefahren dahinter lauern könnten. So öffneten sie besagtes Hindernis und traten in einen Raum, welcher wie eine Küche aussah. Sie war recht groß und es befand sich sogar ein Esstisch darin, auf welchem ein Laptop stand. Ansonsten sah sie recht ordentlich und sauber aus. Küchengeräte waren kaum zu sehen, da scheinbar alles in den vielen Schränken verstaut war.

„Ich kenne diese Küche“, setzte die Blauhaarige an, wurde aber von Kuro unterbrochen: „Lass mich raten. Es ist Shioris Küche?“ „Besserwisser“, streckte sie ihm daraufhin die Zunge heraus.

Akira hingegen, blendete das erneut aus und schritt auf den Laptop zu: „Was meinst du, Skye? Ob der Laptop vielleicht den Fernseher vom letzten Mal ersetzt? Ob wir wieder irgendetwas zu sehen bekommen?“ „Kann schon sein“, überlegte der Kleine.

Experimentierfreudig setzte sich der Rothaarige daraufhin an den Tisch und begann damit auf dem Laptop herumzutippen. Gebannt sahen die beiden Jungen auf den Bildschirm, welcher von schwarz plötzlich auf eine Projektion des Raumes wechselte. Allerdings war es wie beim letzten Mal und sie konnten sich selbst nicht sehen. Stattdessen stand eine ältere Dame mit dunkelrotem Haar an der Kücheninsel und schien etwas zu Essen zuzubereiten.

„Hört endlich auf zu zanken und kommt rüber“, winkte Akira seine Kameraden zu sich, „Wir haben hier wieder eine Art Erinnerung von Shiori-chan!“ „Echt?“, sprang die Blauhaarige sofort darauf an und zischte zum Laptop herüber.

 

Soeben kam Amika in den Raum: „Okaa-san, ich brauche noch deine Genehmigung für die Klassenfahrt.“

Die Brünette hielt der älteren Dame einen Zettel hin und schien eine Unterschrift auf diesem zu erwarten. Allerdings machte ihre Mutter keine Anstalten sich zu bewegen und kochte einfach weiter.

„Kaa-san?“, hakte die Schülerin vorsichtig nach. Nun drehte sich Angesprochene herum: „Glaubst du wirklich, dass ich dir diesen Spaß unterschreiben werde? Du hast mir gestern eine Klausur mit nur 45 Punkten vorgelegt. Die Woche davor sogar eine mit nur läppischen 32!“

Betroffen schwieg die Brünette auf die Ausschimpfe der Rothaarigen vor ihr. Sie wusste, dass sie Recht hatte, konnte aber nichts entgegenbringen, was sie ein wenig entlasten könnte.

„Nur über meine Leiche gehst du da mit. Erstmal wird gelernt mein Fräulein. Wenn deine Noten besser sind, können wir gerne nochmal darüber reden“, schimpfte sie weiter. „Aber bis dahin ist der Ausflug doch schon vorbei“, stammelte die Schülerin hilflos. Gleichgültig zuckte die Mutter daraufhin mit den Achseln: „Das ist dann dein Pech. Du wusstest genau was dir blüht, wenn du schlechte Noten mit nach Hause bringst. Deine Schwester Kaori hat niemals so schlechte Klausuren wie du geschrieben. Sie geht sogar währenddessen noch jobben und verdient sich ihr eigenes Geld. Du solltest dir mal eine Scheibe von ihr abschneiden und mal den Hintern hochbekommen!“

Zornig stocherte die Ältere mit Stäbchen in der Pfanne auf der Herdplatte herum. Sie schien soeben etwas Fleisch anzubraten.

„Wieso fängst du schon wieder mit diesem Mist an?!“, erhob nun auch Amika wütend ihre Stimme, „Immer nur vergleichst du mich mit Kaori! Ich bin leider nicht so perfekt wie deine Lieblingstochter! Und weißt du was?! Ich will es auch gar nicht sein!“

Die Brünette wurde immer lauter und hatte bereits Tränen in ihren Augen, als im selben Moment eine plötzliche hohe Flamme in der Pfanne entfachte. Beide wichen sie daraufhin schreckhaft zurück, als Sekunden später das Feuer wieder wie weggeblasen war.

Gleichgültig und noch immer zornig, verließ die Jüngere mit einem Türknallen den Raum: „Ich hasse dich!“ „Das wird dir auch nichts bringen“, murrte die Mutter leise und im selben Moment wurde der Laptopbildschirm wieder schwarz.

 

„Habt ihr diese gewaltige Flamme grad gesehen? Ob die vom Fett in der Pfanne kam?“, staunte Akira nicht schlecht. Auch die Blauhaarige schien völlig fasziniert zu sein: „Die war echt riesig. Wie in diesen Profiküchen, wenn die Köche Öl in die Pfanne gießen.“ „Wenn jemals in einer Küche Fette anfangen zu brennen, dann solltet ihr lieber um euer Leben rennen“, griff sich der Schwarzhaarige genervt an die Stirn, „Was bei den Köchen entflammt ist der Alkohol, den sie dazugeben, wenn sie beispielsweise etwas flambieren wollen. Ansonsten bringt die Flamme nicht sehr viel, weil sie das Essen unter Umständen zu lange zu stark erhitzt und es dadurch nicht mehr schmeckt.“

Mit großen faszinierten Augen wurde Kuro daraufhin von seinen Gruppenmitgliedern sprachlos angestarrt. Warum zum Henker kannte er sich mit so etwas aus? Kochte er etwa gerne? Und selbst wenn. Wozu sollte er flambieren können? Kein normaler Mensch brauchte sowas.

„Erzähl uns doch keine Ammenmärchen. Ich weiß ganz genau, dass du nur wieder große Sprüche machst, um schlau dazustehen“, wollte sich die Blauhaarige nicht geschlagen geben, „Als mein Bruder letztens Sake in die Pfanne gekippt hat, hatte auch nichts gebrannt. Und da ist ja wohl Alkohol drin.“

Siegessicher grinste das Mädchen den Älteren daraufhin an und verschränkte die Arme. Dieser hingegen rollte nur genervt mit den Augen und fand schon gar keine passenden Worte mehr.

Schließlich schnaubte er einmal laut: „Deine Blödheit macht mich immer wieder sprachlos. Damit Flammen entstehen, benötigt man mindestens 40 Volumenprozent Alkohol. Sake weist maximal die Hälfte davon auf.“ „Ach so“, schien die Schülerin ernsthaft darüber nachzudenken, „Und wer ist hier bitte blöd?!“ „Aber wie ist dann das kurze Feuer in der Pfanne bei Shioris Mutter entstanden?“, wechselte der Rothaarige zurück auf das Ursprungsthema bevor die erneute Stichelei in volle Fahrt geriet. Nun mischte auch der Kleinste wieder mit: „Ich vermute, dass das Amikas Werk war. Wenn auch unbewusst.“ „Denkst du, dass sie das Feuerelement besitzt?“, hakte der Schwarzhaarige nach. „Könnte sein“, nickte Skye zustimmend, „Allerdings kann ich das nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht hatte auch noch ein weiterer Faktor eingewirkt, den wir nicht zu sehen bekamen.“ „Warte mal“, machte der Suzuki Erbe eine kurze Pause, „Wenn sie die Macht über das Feuer hat. Kann es dann sein, dass sie für den Hausbrand verantwortlich ist? Hat sie ihre Schwester absichtlich umgebracht?“

„Jetzt halte aber mal die Luft an!“, wurde Rin plötzlich laut, „Spinnst du eigentlich komplett? Als ob Ami ihre Schwester umbringen würde!“

Zornig ballte sie die Fäuste und knurrte den Ältesten wutentbrannt an. Sie konnte es nicht glauben, dass er auf solch eine absurde Idee kam. Selbst wenn ihre beste Freundin solche Kräfte besaß, hieß das noch lange nicht, dass sie Kaori umgebracht hatte. Wahrscheinlich hatte sie sie nur nicht unter Kontrolle, ähnlich wie bei der Blauhaarigen, und hatte deshalb unabsichtlich irgendetwas leicht entzündliches entflammt. Oder aber es hatte nichts mit alledem zutun und es war ein einfacher Unfall.

„Ich schließe es nicht aus. Jeder könnte verdächtig sein. Wer sagt, dass deine Freundin so ein Unschuldsengel ist?“, blieb Kuro ernst.

Das Mädchen zuckte auf seine Aussage hin auf einem Auge und versuchte merklich einen weiteren Wutausbruch zurückzuhalten. Jedoch war es wohl kaum verwunderlich, dass sie sich nicht zügeln konnte. Stattdessen brüllte sie plötzlich laut, holte mit ihrem linken Arm aus und stürmte völlig außer sich auf den Provozierenden zu. Dieser machte zuerst keine Anstalten sich zu bewegen, merkte aber schnell, dass es seine Angreiferin bitterernst meinte und versuchte in Deckung zu gehen.

Im Bruchteil einer Sekunde bewegte sich auch Akira plötzlich und konnte sich zwischen die beiden drängen. Mit offenen Armen versuchte er das Mädchen abzufangen, welches geradewegs in ihn rannte. Obwohl Rin noch versuchte zu bremsen, krachte sie mit voller Wucht in den Rothaarigen hinein und ging mit einem schrillen Schrei in seinen Armen zu Boden. Gleichzeitig klapperte es im Spülbecken äußerst eigenartig, als plötzlich eine starke Wasserfontäne aus diesem herausschoss. Noch im selben Moment erlosch sie wieder und lies einen kurzen Nieselregen auf die Kleingruppe niedergehen.

Der Suzuki Erbe wusste gar nicht wovon er eigentlich in diesem Augenblick vor Schreck zusammenzuckte. Es passierte alles nur im Bruchteil einer Sekunde.

Irritiert darüber was soeben passierte, lag die Oberschülerin auf dem Bauch der Länge nach auf dem Rothaarigen. Ihre Gesichter waren unmittelbar voreinander und sie starrten sich gegenseitig in die tiefblauen Augen. Noch ein Stückchen näher und ihre Lippen hätten sich berührt. Rin wollte sich gar nicht ausmalen wie viel peinlicher das noch hätte werden können, wenn diese paar Zentimeter nicht gewesen wären. Es war schon schlimm genug, dass sie auf dem jungen Mann lag und durch ihre Schockstarre keinerlei Anstalten zum Aufstehen machte.

„Habt ihr euch grad geküsst?“, ertönte die erschrockene Stimme des Kleinsten, welcher es aus seinem Winkel nicht richtig erkennen konnte.

Beide liefen sie dadurch plötzlich purpurrot an und schnell rappelte sich die Blauhaarige endlich wieder auf: „W-was? N-nein! Wie kommst du auf so einen Stuss?!“

Man merkte nur unschwer wie sie immer lauter wurde und die Panik in ihr hinaufkroch.

„Lasst uns endlich hier verschwinden und einen anderen Weg suchen“, stand auch Akira auf. Jedoch schien er die Ruhe in Person zu sein. Als hätte ihm dieser kleine Sturz nicht im Geringsten etwas ausgemacht.

Zügig zog er die Tür wieder auf, durch welche sie vor wenigen Minuten in diese Küche gelangten. Jedoch machte er keinen weiteren Schritt mehr, sondern starrte lediglich in den Gang: „Hah?! Die Wände haben sich verändert!“

Ungläubig begutachteten nun auch die restlichen Drei den Korridor und mussten feststellen, dass es keine Einbildung war. Es führte nun ein Weg nach rechts und einer nach links.

Damit die Gruppe endlich vorankam, übernahm der Rotschopf dieses Mal die Führung und schlug den rechten Gang ein. Das Mädchen bildete das Schlusslicht und schlurfte mit einer Mischung aus Zorn und peinlicher Berührung schweigend hinter dem Schwarzhaarigen her. Wäre er nicht gewesen, wäre sie nicht sauer geworden. Und wäre sie nicht sauer geworden, hätte sie auf keinen losgehen müssen. Dann wäre auch Akira nicht zwischen sie gesprungen und hätte sie abgefangen. Diese ganze peinliche Situation wäre also nie zustande gekommen, gäbe es diesen reichen Pinkel nicht.

Plötzlich überkam es sie und mit einem lauten wütenden Knurren holte sie mit ihrem Lacrosseschläger aus. Sekunden später knallte das Obere des Schlägers völlig unvorbereitet auf Kuros Hinterkopf auf.

„Du bist ein Idiot!“, schrie sie ihn unterdessen an.

Angeschriener zuckte schmerzhaft zusammen und zog reflexartig den Kopf ein, als er sich zu seiner Hinterfrau umdrehte: „Sag mal spinnst du?! Was soll das?“ „Frag nicht so dumm! Das hast du verdient“, blähte das Mädchen die Wangen auf und verschränkte die Arme, „Außerdem war das nicht mal fest, du Jammerlappen!“

Hochnäsig ging sie an ihm vorbei und stieß an die Spitze der Gruppe vor. Mit geballten Fäusten sah er ihr wütend hinterher. Er dachte bereits über seinen Rachefeldzug nach, da entkrampfen sich seine Muskeln wieder und er nuschelte in seinen Bart: „Nervige Ziege. Was habe ich denn verbrochen?“

Daraufhin schaute er mürrisch und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf, während er den anderen unauffällig folgte.

Kurze Zeit und ein paar Shadows später landete die Kleingruppe jedoch in einer Sackgasse, an dessen Ende ein großes Schmuckkästchen platziert war. Das war das einzig Auffällige, was sie bisher in dem Korridor zu sehen bekamen. Ansonsten gab es nur Steinwände, Steinwände und nochmal Steinwände.

„Wieso steht hier so eine Kiste?“, legte der Rothaarige den Kopf schief.

Die Schülerin hingegen fragte nicht großartig, ging in die Hocke und öffnete das zu groß geratene Kästchen. Zu sehen bekam sie allerdings keinen Schmuck, sondern zwei schwarze Dosen mit einem großen roten „M“.

Die Blauhaarige nahm sie heraus und begutachtete sie kritisch: „Leute? Sind das Energydrinks? In einer Schmuckschachtel? In dieser unwirklichen Welt?“

Auch die anderen traten nun näher und sahen sich die Drinks genauer an. Etwas Auffälliges konnten sie aber auch nicht entdecken.

„Scheint ein stinknormales Monster Energy zu sein“, öffnete der Mützenträger eine der beiden Dosen.

Ein kurzes Zischen ertönte und ein süßlicher Geruch erfüllte den Gang.

Schnell nahm der junge Mann einen Schluck und schien es zu genießen: „Jap. Das ist definitiv Monster. Ein richtig gutes sogar.“

Durstig trank er daraufhin nochmals einen großen Schluck und grinste freudig über die kühle Erfrischung. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich nun besser. Wahrscheinlich lag es wohl einfach daran, dass er etwas ausgetrocknet war.

„Ähm… Akira?“, weiteten sich die Augen des Schwarzhaarigen, welcher auf den Arm des Rothaarigen deutete.

Die Wunde, die er hatte, als er von einem der Blitze getroffen wurde, begann sich soeben zu minimieren.

„Ist das so eine Art Zaubertrank, der heilende Wirkungen hat?“, legte das Mädchen den Kopf schief. „In Videogames wäre der Energydrink jetzt wahrscheinlich als >Medizin< oder sowas betitelt“, blickte auch Akira schief drein, „Was geht in dieser Welt bloß ab?“ „Wie ironisch ist denn das?“, musterte Kuro die übrige Dose kritisch, „Ein Energydrink, der Energie auffüllt? Was Dümmeres ist denen wohl nicht eingefallen?“

Während die Gruppe noch weiter über das Thema redete, setzten sie sich wieder in Bewegung, um den ganzen Weg zurückzulaufen.

Auf halber Strecke liefen sie auch dieses Mal wieder Shadows über den Weg. Darunter trabte sogar eine Art Pferd mit Ritter und Lanze an.

„Versteckt euch“, rief Skye seinen Kameraden im Flüsterton zu, „Der sieht ziemlich stark aus!“ „Wo sollen wir uns denn verstecken, du Schlaumeier?“, kam es zynisch vom Schwarzhaarigen.

Rin hingegen ging gar nicht weiter darauf ein und preschte mal wieder kopflos voran: „Wir müssen zuschlagen, solange er uns noch nicht entdeckt hat. Weglaufen ist bei diesen Gängen sowieso nicht drin!“

Mit lautem Kampfgebrüll stürmte die Oberschülerin auf das Wesen zu und griff es mit ihrem Lacrosseschläger aus dem Hinterhalt an. Wie zu erwarten brachte das allerdings nicht viel. Lediglich seine Aufmerksamkeit und Wut hatte das Mädchen damit geweckt, wodurch er mit seiner Lanze zum Gegenschlag ausholte. Im selben Moment wurde die Blauhaarige von etwas an der Taille gepackt und nach oben gezogen, sodass sie der Lanze um Haaresbreite entkam.

„Das war knapp“, atmete die in der Luft hängende laut auf. Eine Art Wurzel hatte sie umwickelt und hochgezogen.

Plötzlich erschien Sarubi, welcher auf Kuros Befehl hin den Reiter attackierte. Dieser wich daraufhin getroffen zurück, schien allerdings robuster zu sein als die vorherigen Shadows, welchen sie in den Gängen begegnet waren.

Natürlich konnte die Schülerin es nicht auf sich sitzenlassen, dass mal wieder der Suzuki Erbe den ganzen Ruhm einheimsen wollte und beschwor auch ihre Persona: „Los, Kyusagi. Dem treten wir kräftig in den Hintern: Single Kick!“

Durch den starken physischen Angriff wich der Attackierte erneut zurück, schien aber trotz allem noch immer nicht besiegt zu sein. Wie wild regte sich das Mädchen daraufhin auf, strampelte in der Luft herum, und hätte das Wesen am liebsten selbst vermöbelt.

Wieder startete es eine Gegenattacke und schleuderte dieses Mal einen großen Feuerball auf die Jungs, welche sich ziemlich schnell an die Seitenwände flüchteten. Nur Rin hing weiterhin unberührt in der Luft und meckerte unaufhörlich: „Verdammt! Lass mich runter du Arsch. Ich trete diesem Ding höchstpersönlich in den Hintern!“ „Setz einen Wasserangriff ein, Rin! Der Shadow ist vom Feuertyp!“, ignorierte der Jüngste ihr Gestammel. „Was du nicht sagst“, schien die Blauhaarige wenig beeindruckt, „Da wäre ich jetzt nach dem Feuerball nie draufgekommen.“

Schnell befahl die Oberschülerin schließlich einen Wasserangriff und die Häsin spülte den Ritter mitsamt dem Pferd einfach davon.

„Geschafft“, warf das Mädchen freudig die Arme in die Luft. „Das war aber mehr Glück als Verstand, du Vollidiot“, kam es mal wieder schnippisch von ihrem Lieblingskamerad, „Hätte ich dich nicht vor seiner Lanze gerettet, wärst du bereits mausetot.“ „Gar nicht wahr! Du willst nur nicht eingestehen, dass ich auch was auf dem Kasten hab!“, keifte sie den Schwarzhaarigen an. „Ist das nicht vollkommen egal, Leute?“, griff sich der Rothaarige leicht genervt an die Stirn.

„Das war Berith. Im Vergleich zu den anderen schwachen Shadows, denen wir begegnet sind, war der gut dreimal so stark. Wir hatten wirklich Glück, dass wir heil aus der Sache herausgekommen sind“, sprach der Schwarz-blauhaarige ernst. Wieder mal ignorierte er den Streit und bezog sich nur auf die wichtigen Dinge. Was sein geistiges Alter anging, so war er weitaus reifer als so manch anderer der Truppe.

„Ist doch egal. Plattgemacht ist plattgemacht“, war es Rin vollkommen gleichgültig, „Und jetzt lasst mich endlich hier runter.“

Wie wild strampelte sie erneut herum und zog an den Wurzeln, welche sie fest umklammerten. Jedoch rührten sie sich keinen Millimeter. Mit einem schnellen Schuss seiner Softair befreite Kuro sie schließlich mit Leichtigkeit, woraufhin sie ziemlich plötzlich herunterstürzte und unsanft auf ihrem Hintern landete.

„Aua! Das ging doch auch sanfter!“, rieb sie sich beim Aufstehen das Hinterteil. Zur Antwort bekam sie jedoch nur ein gleichgültiges Schulterzucken vom Verursacher, bevor die Kleingruppe ihren Fußmarsch fortsetzte.

„Findet ihr nicht auch, dass es immer wärmer wird?“, meldete sich der Rothaarige zu Wort, welchem schon der Schweiß im Gesicht stand. Aber auch die anderen Gruppenmitglieder waren am Schwitzen. Skye hatte seine Jacke bereits ausgezogen und umgebunden und auch Kuro legte soeben seinen dünnen Schal ab.

„Verglichen mit dem Anfang ist das hier wirklich die reinste Sauna“, wischte sich auch die Oberschülerin den Schweiß von der Stirn. Ungewöhnlicherweise bekam sie vom Suzuki Erben Bestätigung: „Ausnahmsweise hast du mal Recht.“ „Was soll das nun schon wieder heißen?!“, ballte das Mädchen erneut die Fäuste, als sie frech von ihm angegrinst wurde. „Könnt ihr nicht einmal aufhören zu zanken? Das nervt langsam“, jammerte nun auch der Mützenträger.

Beschämend sah die Blauhaarige zu Boden. Sie wollte ihn nicht nerven. Eigentlich fand sie sich selbst etwas nervig, aber sie wollte und konnte den Schwarzhaarigen nicht einfach auf sich herumhacken lassen. Es schmeckte ihr nicht, dass er sie ständig schlechtmachte.

„Wir zanken doch gar nicht. Ich sag nur die Wahrheit“, zuckte Angesprochener unschuldig mit den Achseln. Mit einem Klapps auf den Hinterkopf seines Kumpels, beendete der Rothaarige die Diskussion: „Schluss jetzt!“

Nach einer Weile und einigen Kreuzungen kam die Gruppe wieder an einer Tür an, welche von der Schülerin nach einer kurzen Beratung geöffnet wurde. Erneut standen sie in einem Teil von Amikas altem zu Hause.

„Durchwandern wir jetzt das ganze Haus, bis wir sie endlich gefunden haben?“, jammerte die Blauhaarige herum.

Genau wie der Rest der Truppe schien auch sie keine Lust mehr zu haben und wollte einfach nur ans Ziel gelangen. Sie waren alle mittlerweile mehr als erschöpft und brauchten demnächst eine Pause.

„Jetzt sind wir also im Hausflur gelandet, oder wie?“, sah sich Akira neugierig um, „Seht ihr hier irgendwo einen Bildschirm? Wir finden doch sicherlich wieder eine dieser Erinnerungen.“

Schnurstracks lief Kuro daraufhin auf einen der Bilderrahmen an der Wand zu: „Seht mal. Das ist doch ein digitaler Fotorahmen, oder?“ „Tatsächlich“, trat sein Kumpel neben ihn und versuchte den schwarzen Rahmen zum Laufen zu bekommen. Allerdings erfolglos.

Unterdessen sah sich die Schülerin ein wenig um und testete einige der Türen, welche an den Hausflur anschlossen. Jedoch ließ sich keine öffnen. Auch ein Schlüsselloch war nicht vorhanden. Nur der Durchgang zum Wohn- und Esszimmer war offen. Ohne große Umschweife betrat sie den Raum und sah sich um. Es war alles genauso, wie sie es in Erinnerung hatte. Der Esstisch, das große Fenster dahinter, die Couch, der übergroße Fernseher, der gemütliche Kamin und die Schränke, in dessen Mitte eine große Vitrine stand. Darin waren Pokale und Medaillen ausgestellt, welche Amikas Eltern und ihre große Schwester in der Vergangenheit erkämpft hatten.

„Hier bist du“, betrat der Rothaarige zusammen mit den anderen beiden das Wohnzimmer, „Der Bilderrahmen war ein Flopp. Vielleicht ist hier ja ein Hinweis.“

Noch ehe er zu ende gesprochen hatte, nahm der Jüngste ein Handy vom Esstisch, um welches sich alle neugierig versammelten.

„Meinst du nicht, dass der große Fernseher die sinnvollere Wahl wäre?“, überlegte das Mädchen. Aber noch bevor die Truppe darüber diskutieren konnte, fand das Mobiltelefon ein Signal und gab ein Bild wieder:

 

In der Hocke saß Amika vor dem großen Kamin und wärmte ihre Hände am offenen Feuer. Der Raum war bis auf das Licht des Feuers dunkel und verlassen.

Mit betrübter Miene schaute sie dem Flackern zu, als ihr eine Träne die Wange herunterkullerte.

Das ist fies“, murmelte das Mädchen, „und unfair.“

Schnell wischte sie sie wieder weg und schniefte laut.

Es ist Weihnachten. Alle sind ausgegangen und ich habe Hausarrest“, konnte man sie durch ihr Wimmern nur schwer verstehen, „Wegen diesen dummen Noten. Das ist doch vollkommen unmenschlich. Blöde Schule.

Plötzlich flackerte das Feuer für einen kurzen Moment deutlich höher auf, wodurch die Brünette erschrak und auf ihren Hintern plumpste.

Schon wieder? Was war das? War ich das?“, näherte sie sich dem Kamin wieder und streckte vorsichtig ihre Hand nach dem Feuer aus.

Erneut flackerte es wie wild herum und die Traurigkeit der Schülerin schien der Begeisterung zu weichen, als plötzlich der Bildschirm des Handys wieder schwarz wurde.

 

„Na, wenn das nicht Beweis genug ist, dass sie das Feuer kontrollieren kann, dann weiß ich auch nicht“, verschränkte Akira nachdenklich die Arme. Die Blauhaarige legte ihren Kopf schief: „Sie hat also tatsächlich das Feuerelement?“

Eine kurze Zeit stand die Gruppe schweigend da und starrte nachdenklich auf den schwarzen Handybildschirm. Keiner wollte aussprechen was er dachte. Jedoch war es eindeutig, dass alle die Brünette mit dem Brand in Verbindung brachten, welcher Kaori auf dem Gewissen hatte.

Wortlos verließ Rin kurz darauf das Wohnzimmer und ging in den Hausflur zurück. Nach weiteren Hinweisen suchend sah sie sich um, als auch der Rest zu ihr stieß.

„Suchst du etwas?“, hakte der Schwarzhaarige nach. Doch noch bevor das Mädchen antworten konnte, erhob Skye seine Stimme: „Hey! Wir können zurück!“ „Ist hier wieder so ein Schnellreisepunkt?“, fragte der Rothaarige irritiert nach. „Ja“, nickte der Jüngste, „Es wurde mir soeben angezeigt. Lasst uns zurückgehen und eine Pause machen.“

Abgesehen von der Oberschülerin schienen alle erleichtert darüber zu sein. Zwar waren sie am Ende ihrer Kräfte angelangt, doch wollte die Blauhaarige nicht wieder zurück. Sie konnte nicht schon wieder ohne ihre beste Freundin heimkehren.

„Ich bleibe hier“, verfinsterte sich ihr Blick und sie ballte die Fäuste, „Geht ihr ruhig und ruht euch aus. Ich werde dieses Mal nicht ohne Ami gehen.“ „Schon wieder die gleiche Laier?“, schnaubte der Suzuki Erbe laut. „Das hat doch keinen Sinn. Alleine würdest du in den Tod rennen. Abgesehen davon bist du genauso fertig wie wir alle. Sieh dich doch mal an“, kam es besorgt von dem Rothaarigen.

Der Sturkopf hingegen wollte so gar nicht einsehen, dass ihre Kameraden völlig recht hatten und wurde immer lauter. Fast schon schreiend protestierte sie dagegen jetzt einfach heimzugehen. Dabei stiegen ihr sogar Tränen in die Augen und keiner der Jungs wusste was er dagegen tun sollte.

Kuro war es, der sie mit lauter Stimme endlich unterbrach: „Du nervst!“

Gleichzeitig schlug er ihr mit der flachen Handseite in den Nacken, wodurch sie plötzlich wortlos einsackte. Geschickt fing der Schwarzhaarige sie auf und nahm sie huckepack. Bewusstlos hing sie daraufhin mit dem Kopf auf seiner Schulter.

„Na geht doch“, schien der Schwarzhaarige ziemlich zufrieden zu sein. Sein bester Kumpel hingegen konnte es nicht fassen: „Hast du sie grad bewusstlos geschlagen? Geht’s noch?!“ „Ach komm schon. Was hättest du denn gemacht? Wir hätten hier noch ewig gestanden und versucht sie zur Vernunft zu bringen“, meckerte er ihn ebenfalls an.

„Es ist auch nicht meine Idealvorstellung gewesen, aber was solls? Bevor sie sich sinnlos in Gefahr begibt ist das immer noch die beste Lösung“, zuckte der Schwarz-blauhaarige recht gleichgültig mit den Achseln. „Ich bin hier echt nur von Idioten umgeben“, verdrehte der Rothaarige die Augen.


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