Special 01 - So nah und doch so fern


Dienstag, 24.12.2013

 

Voller Vorfreude baute Rin am Morgen den kleinen Weihnachtsbaum in einer Ecke der Küche auf. Mit roten und blauen Kugeln schmückte sie das gute Stück, behängte ihn hier und da mit goldenem Lametta und setzte schlussendlich auf seine Spitze einen großen goldenen Stern.

Im Anschluss machte sie sich schnell auf den Weg zum Bäcker um die Ecke, bei welchem sie eine kleine Weihnachtstorte geordert hatte. Es sollte alles perfekt werden für den Abend, denn dann kam die kleine Familie endlich mal wieder zusammen. Auch ihre beste Freundin Amika würde kommen und sie würden alle einen schönen Abend verbringen.

Die Geschenke für ihren Vater und Bruder, sowie ihre Freundin hatte das Mädchen bereits zusammen. Jetzt mussten nur noch die letzten Dinge erledigt werden.

Als sie von der Bäckerei wieder zu Hause war, kramte sie noch weitere Dekoartikel heraus, mit denen sie den Rest des Hauses noch schmücken wollte. Hier und da hängte sie Girlanden auf, stellte Porzellanfigürchen hin und versetzte den Flur und die Küche mit Lichterketten in eine angenehmere Atmosphäre.

„Endlich geschafft“, fiel die Mittelschülerin verausgabt auf einen Küchenstuhl und sah sich ihr Meisterwerk nochmal an. Mit einem Grinsen im Gesicht schloss sie daraufhin kurz ihre Augen und versuchte sich vorzustellen was die anderen wohl zu ihrer hübschen Dekoration sagen würden.

„Ami findet es ganz bestimmt wunderschön. Saito wird sicherlich nur rummosern, dass ich es auch wieder wegräumen soll. Und Papa? Ob er es überhaupt bemerkt?“, mit kritischem Blick im Gesicht musste sie jedoch Schmunzeln. Es würde bestimmt ein gemütlicher Abend werden. So oder so.

Plötzlich hörte die Blauhaarige, wie der Schlüssel im Haustürschloss gedreht wurde und sprang energiegeladen auf. Sie wusste genau, dass es ihr Bruder war, welcher endlich wieder von der Arbeit nach Hause kam.

„Saito-nii!“, hüpfte sie aufgeregt im Hausflur herum, „Sieh mal, sieh mal! Wie findest du es?“

Mit dem Finger deutete sie auf die Weihnachtsdekoration und strahlte übers ganze Gesicht.

„Sieht schön aus“, warf der Blonde einen kurzen Blick darauf, „Hast du Freunde eingeladen oder warum hast du so intensiv dekoriert? Das du mir das aber auch ja wieder wegräumst, wenn die Weihnachtszeit vorbei ist.“ „Wie meinst du das?“, wurde der Ältere mit großen erstaunten Augen gemustert. Dieser seufzte: „Na, was du rausräumst, räumst du auch selbst wieder weg.“ „Nein. Wieso denkst du ich hätte Freunde eingeladen?“, stellte sie ihre Frage ausführlicher, „Wir haben doch für heute Abend eine kleine Feier geplant. Wie immer.“ „Ich hatte dir doch schon vor Monaten gesagt, dass ich keine Zeit haben werde“, entgegnete der Blonde ihr. „Davon wusste ich gar nichts“, bekam er eine entsetzte Antwort, „Warum bist du nicht da?“ „Ich habe ein Date“, erklärte Saito kurz. Noch entgeisterter als zuvor starrte die Schülerin ihren Bruder an: „Du hast eine Freundin? Seit wann das denn? Wer ist sie? Kenne ich sie? Darf ich mitkommen?“

Mit tausend Fragen durchlöcherte sie ihn und hibbelte von einem Bein auf dem anderen herum. Nun war ihre Neugierde geweckt und sie wollte unbedingt wissen auf welchen Typ Frau der junge Mann stand.

„Nein! Natürlich darfst du nicht mitkommen! Was geht denn nur manchmal in deinem Kopf ab?“, drückte Saito seine Hand in das Gesicht seiner Schwester, um diese somit zur Seite zu schieben.

„Au, nimm deine Hand da weg, Baka-nii!“, versuchte die Mittelschülerin sie wieder wegzudrücken.

In dieser Zeit hatte er es geschafft an ihr vorbei und zur Treppe zu gelangen, um kurz darauf in seinem Zimmer im ersten Stock zu verschwinden.

Genau in diesem Moment ertönte das Handy der Blauhaarigen und sie nahm ab: „Hallo, Ami. Was gibt’s denn?“ „Hallo Rinacchi. Also um ehrlich zu sein habe ich da ein kleines Problem wegen heute Abend“, druckste sie herum. „Jetzt sag nicht, dass du auch nicht kannst! Saito hat mich schon versetzt“, jammerte Rin herum. „Ehrlichgesagt kann ich wirklich nicht“, versuchte sich die Brünette zu erklären, „Du weißt doch, dass der heiße Kerl mit dem ich seit paar Tagen zusammen bin heute unbedingt etwas mit mir unternehmen will. Ich habe ja versucht ihm zu sagen, dass ich nicht kann, aber er sagte, er würde mit mir schlussmachen, wenn ich nicht käme.“ „Ist das dein Ernst?“, konnte man das Entsetzen der Blauhaarigen klar und deutlich vernehmen, „Der Typ ist die Sache doch sowieso nicht wert. Was willst du mit jemandem, der zehn Jahre älter ist?“ „Es sind nur neun! Und ich liebe ihn nun mal“, stammelte Amika. „Ach, dann mach doch was du willst. Aber du schuldest mir was“, meckerte Rin sie an. „Du bist die Beste! Ich mache es wieder gut, versprochen“, ertönte die freudige Stimme ihrer besten Freundin.

Mit einem lauten Seufzer legte die Mittelschülerin schließlich auf und setzte sich geschafft auf die unterste Treppenstufe: „Und was jetzt? Keiner hat Zeit. Fehlt nur noch, dass Papa auch was Besseres zu tun hat.“

 

Enttäuscht über die ganzen Absagen, saß Rin am Abend allein mit der Weihnachtstorte in ihrem Zimmer. Sie hatte sich den kompletten Kuchen gekrallt und aß mit einer Gabel davon, während sie mit ihrem Laptop im Internet unterwegs war. Da sich ihr Vater noch immer nicht hatte blicken lassen, gab sie es auf, dass er überhaupt noch erscheinen würde. Sicherlich hatte er mal wieder die Zeit im Keller vergessen und war mitten in einer seiner Forschungen.

Dann machte sie sich eben einen schönen Abend mit einem Multiplayer Onlinegame, welches sie vor einigen Wochen entdeckt hatte und nun ziemlich verrückt danach war. Dort hatte sie bereits eine Freundin gefunden, die ihr von Anfang an alles erklärte und hin und wieder mit ihr spielte.

Allerdings musste die Mittelschülerin schnell feststellen, dass auch diese nicht da war.

„Wer hat nur dieses dumme Fest der Liebe erfunden?“, drosch sie wie eine Gestörte auf ihren Laptop ein, um eines der Monster zur Strecke zu bringen, „Da merkt man nur wie einsam man ist.“

Eine Mischung aus Wut, Eifersucht und Trauer machte sich in ihr breit. Es tat so höllisch weh, zu sehen, wie die liebsten Menschen besseres zu tun hatten, als mit ihr ein schönes Fest zu verbringen. Warum nur passierte ihr so etwas? Was hatte sie denn falschgemacht?

Je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr wandelte sich ihre Wut in reine Traurigkeit. Tränen bildeten sich in ihren Augen und sie begann unweigerlich zu weinen. Auch auf ihr Game hatte sie nun keine Lust mehr und stand vom Schreibtisch auf, um sich ins Bett zu legen. Dabei krallte sie sich eines ihrer Kissen, umarmte es fest und rollte sich ein.

„Ich will nicht mehr“, murmelte sie zittrig, „Lass Weihnachten endlich vorübergehen.“

Noch eine Weile kullerten ihr die Tränen über die Wangen, bis sie schließlich vor Erschöpfung eindöste.

 

Plötzlich wurde Rin von einem lauten Signalton aus dem Schlaf gerissen. Sie zuckte kurz zusammen, ehe sie zu Sinnen kam und sich aufsetzte. Da ertönte das Geräusch erneut, welches scheinbar von ihrem Laptop kam.

Die Blauhaarige musste nicht lange grübeln und wusste direkt was dieser Ton von ihr wollte. Er erklang immer, wenn ihre Freundin ihr eine Nachricht über das Spiel zukommen ließ.

Schnell sprang die Mittelschülerin daraufhin auf und erspähte tatsächlich eine.

„Aki-chan hat geschrieben! Sie ist online!“, erhellte sich der Gesichtsausdruck des Mädchens schlagartig. Schnell las sie die Zeilen: „Hallo Rin-chan. Hast du heute auch nichts Besseres zu tun?“ „Hey Aki-chan. Leider nicht. Ich wurde von meinen Freunden versetzt. Und du?“ „Ich musste arbeiten und kam eben erst nach Hause“, antwortete Rins Freundin, „Darf ich dir dann vielleicht etwas zur Aufmunterung zeigen? Du müsstest allerdings vor die Tür dazu.“ „Was denn?“, wurde das Mädchen neugierig. „Es ist oben beim Mizuiro Tempel in der Stadt, in der du wohnst.“

Etwas verwundert darüber, dass sich ihre Internetfreundin in Aehara auszukennen schien, stimmte sie dennoch zu. Die Wahrscheinlichkeit jedoch war ziemlich gering, dass sie in derselben Stadt wohnten. Trotzdem musste sie nochmal nachhaken: „Wohnst du etwa auch in Aehara? Wird das ein Offlinetreffen?“ „Das hatte ich nicht vor“, bekam sie nur als Antwort. „Und was genau wird mich dort oben dann erwarten?“, verstand die Blauhaarige nicht so ganz was sie dort nun sollte. Wieder kam nur eine kurze Antwort: „Glaub mir, das wirst du dann sehen.“

Neugierig wie sie war, machte sie sich natürlich sofort fertig und begab sich auf den Weg. Sie wusste, dass der Tempel jedes Jahr eine kleine Weihnachtsfeier abhielt und dort oben gegebenenfalls einige Menschen waren. Aber was dort wohl so besonders war?

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Rin endlich auf dem großen Platz an und konnte von Weitem schon den gewaltigen Weihnachtsbaum in dessen Mitte sehen. Er war wunderschön mit allerlei goldenen und silbernen Kugel geschmückt. Auch Strohsterne zierten einige Äste und die Lichterketten brachten die Tanne förmlich zum Funkeln. An der Spitze des Baumes konnte das Mädchen einen sehr großen Kristallstern sehen, welcher durch die Lichter zu glitzern schien.

„Woah! Wie schön der aussieht“, stand der Blauhaarigen der Mund offen. Sie konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, dass es am Tempel zur Weihnachtszeit eine solch schöne Tanne gab.

Einige Besucher bewegte sich auf dem Platz vor dem Tempel um den Baum herum, plapperten vergnügt miteinander und tranken heiße Getränke. Diese wurden scheinbar an den Ständen ringsherum verkauft.

Da die Mittelschülerin durch ihren Spaziergang auf den Berg auch etwas durstig geworden war, schlenderte sie an den Verkäufern vorbei, um zu sehen, was sie anboten. Es gab allerlei alkoholische Getränke, diverse Säfte, Amazake und noch vieles Weiteres.

Rin war definitiv nicht abgeneigt davon etwas zu kaufen. Jedoch musste sie schnell feststellen, dass die Preise reinste Wucher waren und sie dafür definitiv keinen Yen verschleudern würde. Etwas enttäuscht davon durstig zu bleiben, entfernte sie sich wieder von den Ständen und schaute sich noch ein wenig weiter um.

„Ich frage mich was Aki-chan mir zeigen wollte“, grübelte sie über ihre Worte nach, „Ob sie vielleicht den Baum gemeint hatte?“

Die Blauhaarige konnte definitiv nicht leugnen, dass die Tanne wunderschön war, aber irgendwie hatte sie sich nach den Worten ihrer Internetfreundin doch ein klein wenig mehr erhofft. Aber da der restliche Tag so enttäuschend für die Schülerin war, konnte sie sich dennoch sehr darüber freuen, dass wenigstens Aki versuchte sie aufzumuntern und für sie da zu sein.

„Ist eigentlich totale Verschwendung, wenn ich mich nicht über die nette Geste freue“, murmelte das Mädchen vor sich hin, „Obwohl ich mir dennoch etwas mehr gewünscht hätte. Eigenartigerweise habe ich trotz allem auch darauf gehofft, dass ich ihr vielleicht doch noch begegnen würde. Aber sie sagte ja bereits, dass sie nicht da sein wird. Außerdem wissen wir ja auch gar nicht wer wir sind und könnten uns gar nicht finden.“

Erneut entwich der Schülerin ein kleiner Seufzer, als sie aus dem Augenwinkel eine ihr bekannte Person erblickte. Sofort fuhr sie herum und konnte nicht glauben was sie da sah. Da war doch tatsächlich ihr Bruder ebenfalls beim Mizuiro Tempel.

Neugierig betrachtet sie ihn und versuchte sich gleichzeig zu verstecken. Sähe er sie, würde er sie sicherlich wieder nach Hause beordern oder ausschimpfen, weil sie allein losgezogen war. Außerdem war Rin tierisch neugierig darauf mit wem Saito ausgegangen war. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass der Blonde eine Freundin haben sollte und wollte unbedingt wissen wen er sich geangelt hatte.

„Vielleicht hat er ja auch nur gelogen was die Sache mit der Freundin angeht und ist in Wirklichkeit nur mit seinen Kumpels unterwegs“, ging Rin einige mögliche Theorien durch.

Geschickt schlängelte sich das Mädchen daraufhin durch die Menschenmasse, um ihrem Bruder auf die Schliche zu kommen. Dabei konnte sie auch endlich die Begleitung des jungen Mannes von Hinten entdecken. Es war tatsächlich eine junge Frau, welche er an seiner Seite hatte. Sie hatte hellbraunes langes Haar, das zu hübschen Locken zurechtgemacht war. Außerdem war sie zu ihrer schlanken großen Figur sehr modisch gekleidet und wirkte beinahe schon wie ein Model.

„Wo hat er denn dieses hübsche Ding aufgerissen?“, war die Blauhaarige sichtlich entsetzt darüber, dass ihr großer Bruder auf solche Modepüppchen stand. Wobei sie sich nicht sicher war, ob sie mehr darüber entsetzt war, dass Saito auf solche Frauen stand, oder dass seine Begleitung auf solche Kerle wie ihn stand. Wie zum Teufel hatte er denn so eine abbekommen? Die Mittelschülerin konnte es einfach nicht verstehen.

Ihre Neugierde war jedoch noch nicht gestillt, denn sie hatte die Schönheit bisher nur von hinten sehen können. Sie wollte unbedingt wissen, wie sie von vorne aussah.

„Vielleicht hat sie ja ein schrecklich hässliches Gesicht oder so. Keine Frau, die wie ein Model aussieht, würde meinen Bruder freiwillig zum Freund nehmen. Jeden anderen. Aber nicht diesen Vollpfosten“, nuschelte das Mädchen vor sich hin.

Erneut schlängelte sie sich schließlich durch die Besuchermenge, um einen weiteren Blick zu erhaschen. Es dauerte nicht allzu lange bis ihr das auch gelang, wodurch sich ihr Entsetzen nur noch weiter ausbreitete: „Das kann jetzt nicht wahr sein. Die kenne ich doch.“

Im wahrsten Sinne des Wortes fiel ihr die Kinnlade herunter, als sie die bildhübsche junge Dame von vorne zu Gesicht bekam: „Das ist doch Amis große Schwester. Das ist Kaori. Wann und wie ist das denn bitte passiert?!“

Diese unerwartete Information musste die Mittelschülerin erstmal verdauen, weswegen sie sich an den Rand der großen Plattform bewegte. Dort war es ruhiger und das Licht vom Fest drang kaum zu ihr herüber. Durch die angedeutete Finsternis konnte sie von dort oben die Stadtlichter viel besser wahrnehmen und staunte nicht schlecht, als sie sie sah: „Wow, mir war gar nicht bewusst wie schön die Stadt bei Nacht von hier oben aussieht.“

Ein wenig konnte sie sich durch die angenehme Aussicht von dem Schock beruhigen. Allerdings bemerkte sie, dass ihr dadurch auch kalt wurde. Zusätzlich wehte ein kühler Nachtwind, der dem Mädchen einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

„Brr ist das kalt geworden“, zitterte sie und rieb sich die Hände aneinander, „Ich hätte mir doch lieber eine dickere Jacke anziehen sollen.“

Plötzlich trat wie aus dem Nichts eine schwarze Gestalt neben sie und hielt ihr einen dampfenden Pappbecher hin. Er roch süßlich nach Amazake, wodurch der Schülerin das Wasser im Mund zusammenlief und sie völlig perplex einfach dankend nach dem Getränk griff. Es war so herrlich warm und passend zu ihrem Frieren, dass es ihr einen wohlig warmen Moment bescherte, in dem sie leichte Gänsehaut bekam.

Erst nachdem sie die Flüssigkeit dankbar angenommen hatte, zuckte sie schreckhaft zusammen: „W-wer bist du eigentlich? Und warum gibst du mir Amazake? Ist da etwa was drin? Abführmittel?“

„Beruhige dich“, entgegnete ihr eine männliche Stimme, die recht amüsiert klang, „Das kannst du bedenkenlos trinken.“

Kritisch musterte sie daraufhin den Inhalt des Bechers und traute sich trotz allem nicht ihn zu trinken. Sie wollte unbedingt wissen wer dieser plötzlich auftauchende Kerl war und warum er ihr einfach so eines dieser überteuerten Getränke schenkte. Obwohl noch immer ein kleiner Schimmer Licht vom Fest zu den beiden herüberdrang, konnte Rin leider nicht erkennen, wen sie neben sich stehen hatte. Die männliche Gestalt trug zu ihrer hellblauen Jeans eine schwarze Jacke, dessen Kapuze ihm tief im Gesicht hing. Zusätzlich hatte er sich einen roten dicken Wollschal um den Hals gewickelt, der die Sicht in sein Gesicht noch weiter einschränkte. So gesehen sah er schon ein bisschen gruselig aus.

„Mach dir keine Sorgen wegen dem Amazake. Ich würde dich niemals vergiften wollen oder dergleichen“, machte er eine kurze Pause, „Außerdem kennst du mich bereits. Ich bin Aki.“ „HAH?!“, fiel die Blauhaarige aus allen Wolken, „Niemals! Aki ist ein Mädchen!“ Kurz musste der Kapuzenträger amüsiert auflachen: „Habe ich dir das jemals bestätigt? Du hast es einfach nur angenommen.“ „Und warum hast du mich nie aufgeklärt?“, kapierte die soeben Verzweifelte gar nichts mehr. „Ich hatte den Eindruck, dass du mich dadurch weniger gerne mögen würdest“, erklärte er kurz. Sie verstand diesen Grund allerdings nicht: „Das ist doch total absurd.“ „Es ist wie es ist. Nun weißt du es ja“, stützte er sich mit seinen Unterarmen am Geländer ab, welches sich vor ihnen befand.

„Ich verstehe aber nicht wie du mich finden konntest. Ich habe dir nie ein Bild von mir gezeigt“, tappte Rin noch immer in vielerlei Hinsicht im Dunkeln. „Wir haben viel geschrieben und du hast hin und wieder Aussagen zu deinem Äußeren gemacht“, erklärte sich Aki knapp. „Das ist ungerecht. Du weißt wer ich bin. Ich möchte dich auch sehen. Nimm die Kapuze herunter“, jammerte die Mittelschülerin herum. Kurz überlegte der Junge was er ihr entgegnen sollte: „Glaub mir, es ist besser du siehst mein Gesicht nicht. Das macht die ganze Sache nur unangenehm.“ „Was für ein gequirlter Mist. Warum sollte das die Situation unangenehm machen?“, meckerte das Mädchen unaufhörlich herum.

Statt einer Antwort erntete sie allerdings nur sein Schweigen, welches symbolisierte, dass er es wirklich nicht wollte. Den Blick gen Stadt gerichtet nippte er an seinem eigenen Heißgetränk und einige lange Sekunden zogen ins Land. Auch Rin tat es ihm gleich und nahm einen kleinen Schluck ihres Amazakes, während sie ihn ebenfalls anschwieg.

Plötzlich ertönte ein lauter Knall, welcher die Blauhaarige zusammenzucken lies. Am Himmel formte sich im selben Moment ein buntes Lichterspiel.

Völlig aus dem Häuschen hibbelte die Schülerin herum und schien ihre vorherige Neugierde komplett vergessen zu haben: „Du wolltest mir ein Feuerwerk zeigen? Das ist ja der Wahnsinn. Ich dachte schon du meintest den doofen Weihnachtsbaum oder sowas.“ „Es sind immer wieder die kleinen Dinge, die dich unwahrscheinlich begeistern können“, musste Aki unweigerlich lächeln, „Das ist eines der Dinge die ich an dir so liebe.“

Rin musste zweimal hinhören, ehe sie verwirrt zu dem Kapuzenträger herübersah und knallrot anlief. Wie genau hatte er das bloß gemeint? Redete er von richtig echter Liebe oder war das nur so eine unbedeutende Aussage? Gefühlte Ewigkeiten verbrachte sie beim Anschauen des Feuerwerks damit seine Worte zu erörtern. Ob es angebracht war ihn danach zu fragen was genau er meinte? Sollte er aber nicht von echter Liebe gesprochen haben, wäre es ziemlich peinlich, wenn sie nachhaken würde. Andererseits würde sie es aber niemals erfahren, wenn sie stumm bliebe. Und je länger sie grübelte und die Zeit dadurch verflog, umso weniger konnte sie dieses Gespräch wieder aufnehmen. Nun machte es sie richtig wahnsinnig, dass sie nicht direkt nachgefragt hatte. Was war sie auch so unentschlossen?!

Schlussendlich fasste sie sich doch ein Herz, drehte sich zu ihrem Internetkumpel um und fragte: „Wie genau hast du das denn gemei… huh?“ Mitten im Satz unterbrach sie sich selbst, da Aki nicht mehr neben ihr stand.

Suchend sah sich das Mädchen um und versuchte ihn in der Dunkelheit ausfindig zu machen: „A-Aki-chan? Wo bist du?“

Er war wie vom Erdboden verschwunden und Rin musste sich eine kurze Zeitlang fragen, ob er wirklich dagewesen war oder sie nur halluziniert hatte. Als sie aber ihren Amazake sah, war sie sich sicher, dass er definitiv dagewesen war. Enttäuscht darüber, dass er einfach ohne ein Wort gegangen war, macht sich auch die Blauhaarige wieder auf den Rückweg. Sie wollte ihn im Game nochmal anschreiben und fragen warum er so schnell gegangen war. Und natürlich wollte sie versuchen aus ihm herauszuquetschen wer er eigentlich war. Sie hatte das Gefühl ihn zu kennen, aber irgendwie auch doch nicht. Immerhin schien er auch in Aehara zu wohnen und wirkte gleichalt. Vielleicht bildete sie es sich aber auch nur ein und vermischte es mit einer Art Wunschdenken.

 

„Mensch wo warst du so lange? Ich habe dich überall gesucht“, schimpfte ein junges Mädchen im Grundschulalter mit dem Kapuzenträger, welcher soeben wieder zur Mitte des Platzes zurückkam. „Sorry Ri-chan. Ich war pinkeln“, grinste er die Kleine schief an.

Sie hatte dunkelrote Haare mit blauen Spitzen. Dazu trug sie einen schwarzgelben Mantel, Hotpants mit Overknees und hochgebundenen Chucks. Außerdem saß hinter ihren Ohren ein großer schwarzer Kopfhörer mit gelben Akzenten.

„Sag das nächste Mal aber Bescheid, bevor ich mir wieder unnötige Sorgen machen muss“, belehrte sie den Älteren. „Ja, ja“, bekam sie daraufhin eine langgezogene Antwort. „Ich weiß was das bedeutet, Onii-chan!“, mahnte sie erneut, „Und wie läufst du überhaupt rum? Total suspekt.“

Noch während des Redens zog sie ihrem Bruder die Kapuze vom Kopf, damit er nichtmehr aussah wie ein Gangster. Darunter trug er zwar noch eine schwarze Mütze, die den Großteil seiner roten Haare bedeckte, aber den Gangsterlook war er wieder los.

„Au, du hast mir ein Haar ausgerupft. Außerdem kann ich rumlaufen wie ich will“, rieb er sich den Kopf, „Und wieso warst du überhaupt allein? Wo ist Kuro hin?“ „Ich hab mich dann mal selbst um die Getränke gekümmert, nachdem du einfach verschollen warst, Akira“, kam soeben benannter mit drei dampfenden Bechern zu den beiden Geschwistern zurück.


Ich hoffe euch hat das kleine Weihnachtsspecial gefallen :)

Lasst gerne eure Meinung da.

Kommentare: 0